Sonntag, 28. Februar 2021
QUARO
SAMMELSURIUM
Ravensburger Casino-Serie: QUARO
Die Casino-Serie war die Antwort der Ravensburger auf den Erfolg der 3M-Spiele aus den USA. Im edlen Buchschuber erschienen zwischen 1971 und 1975 13 Spiele. Verantwortlich war der damalige Redaktionsleiter Erwin Glonnegger, der 1987 in einem kleinen Sonderheft der Zeitschrift „Spielblatt“ seine damaligen Überlegungen darlegte: „Bei der Ausstattung der CASINO-SERIE ging ich seinerzeit Anfang der 70er Jahre unter anderem auch von Erfahrungen mit Büchern aus. Deshalb wurden z.B. die Packungen mit Buchbinderleinen überzogen und mit einer abnehmbaren Titelbanderole aus Papier versehen, ähnlich dem Schutzumschlag eines Buches. Die Packung war ferner so gestaltet, dass sie hochkant in einem Bücherregal aufgestellt werden konnte. Das bedeutete unter anderem auch, dass das Spielmaterial sehr kompakt in der Schachtel untergebracht werden musste.“
In der Reihe veröffentlichten Autoren wie Alex Randolph, der auch 3M mit auf den Weg gebracht hatte, er startete 1974 mit QUARO noch unter dem Pseudonym L.W. Bones, daneben erschienen Klassikerausgaben wie das SCHÖNE ALTE SPIELE, das Ravensburger schon in den 60er Jahren in flacher Schachtel veröffentlicht hat. Auch Max Kobbert kam mit COLOMINO hier zu seiner ersten Veröffentlichung. Am erfolgreichsten waren Lizenzausgaben der Firma Spencer-Murray aus Pennsylvania, die mit dem BÖRSENSPIEL und JOCKEY zum Erfolg in den ersten Jahren beitrugen.
QUARO
In den 70ern war es absolut nicht selbstverständlich, dass der Name eines Spieleautors auf der Schachtel auftauchte. QUARO ziert allerdings nur ein Pseudonym. L.W. Bones hat dem deutschen Endverbraucher aber wahrscheinlich eben so wenig gesagt wie der wahre Name des Autors: Alex Randolph. Obwohl der amerikanische Autor damals schon neben Sid Sackson zu den bekanntesten internationalen Spieleautoren gehörte. Mit vorzeigbaren Ideen bei 3M wie TWIXT und OH-WAH-REE und auch Spielen, die bei Ravensburger erschienen sind, wie TING-TONG und BANDA (beide 1973). Verwunderlich ist nur, dass zeitgleich 1974 CORONA in der Casino-Reihe unter Randolphs echtem Namen erschien.
QUARO wird auf einem gekreuzten Spielplan, dessen Ecken in einem 8x8-Raster ausgeschnitten sind, gespielt. Etwas abgesetzt sind vier Ablagefelder für die Spielsteine der maximal vier Spieler. Für alle 48 Felder stehen Steine in vier Farben zur Verfügung, die aus einem Säckchen gezogen werden.
Die Idee Randolphs gehört ins klassische Genre der VIER IN EINE REIHE- Spiele, vielleicht war Randolph das auch nicht originär genug, um seinen Namen dafür herzugeben. Wenn man weiß, was inzwischen alles in diesem Sektor erschienen ist, kann Randolphs fast 50 Jahre alte Idee mit allen mithalten.
Gegenüber dem bekannten VIER GEWINNT, geht es ihm nicht um farbidentische Viererreihen, die zuerst erreicht werden müssen, sondern um das Vorkommen exakt der vier Farben des Spiels, die ständig gewertet werden. Das gilt damit für eine Reihe aus jeweils einem blauen, gelben, grünen und lila Stein. Gesetzt wird reihum, nur wer eine Wertung erzielt, darf einen weiteren Stein spielen, das können bis zu vier Steine sein, die jeweils zur Verfügung stehen. Jede korrekte Reihe bringt einen Punkt. Wenn alle Steine gesetzt sind, gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.
QUARO gehört trotz des klassischen Themas zu den guten Spielen der Casino-Reihe. Es taugt durch die einfachen Regeln für Wenigspieler, bietet Kennern aber genügend Spieltiefe, die vor allem im Duell ausgelotet werden kann. Man muss sich einsehen in Randolphs Siegbedingungen, die klassischen Farbreihen hat man schneller im Blick als das bunte Farbengewirr, das sich allmählich auf dem Spielplan entwickelt. Der Aufbau ist noch zögerlich, bevor die punkteträchtige mittlere Phase meist die Entscheidung über Sieg und Niederlage bringt. Gegen Ende geht dann nicht mehr viel. Deshalb darf das Spiel auch vor dem 48. Stein abgebrochen werden, wenn alle feststellen, dass Punkte nicht mehr möglich sind.
Die Umsetzung ist nicht spektakulär. Das Rahmenambiente entspricht den Casino-Schachteln mit samtigem Inlett, aber sonst ist viel Plastik im Spiel. Das Brett ist ein klappbares Kunststoffteil mit Felderfräsung. Auch die stapelbaren Steine sind aus relativ stabilem Plastik. Die Schachtel ist prall gefüllt. Das ar dem Herausgeber Erwin Glonnegger wichtig, da ja seine Casino-Spiele ins Buchregal sollten und die senkrechte Einordnung lose Spielteile sonst herausfallen ließ.
Titel: QUARO
Autoren: L.W. Bones (Alex Randolph)
Coverfoto: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10-15 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 9 - S9/2021
Samstag, 27. Februar 2021
DIE INSEL DER KATZEN
Puzzeln mit Katzen
Gestreckt, gereckt und fast um die Achse gebogen erleben wir unsere kleinen Haustiger auf dem Teppich, manchmal auch friedlich zusammengerollt. Dann träumen sie wahrscheinlich von ihrer Herkunftsinsel im fernen Katzifik, von Abenteuern und Ängsten, als der Diktator Vash Düsterhand das Gelübde ablegte, alle Katzen dieser Welt dem Verderben Preis zu geben. Wie gut, dass damals fast eine Handvoll Abenteurer mit großen Segelschiffen aufbrach und knapp einhundert der wertvollen Schmusetiere rettete, darunter auch die ganz seltenen Oshax-Katzen.
Der Rettungsvorgang in DIE INSEL DER KATZEN läuft spieltechnisch als Puzzle mit Polyominos ab. Wer vermutet, dass Rosenberg nun auch mit Katzen schmust, liegt allerdings falsch. Einmal ist dieses Spiel komplexer als alle bisherigen PATCHWORK- oder Jahreszeiten-Varianten, auch die Tiere in den Zoogehegen New Yorks können da nicht mithalten. Der 34jährige Frank West aus England zeichnet für die Katzeninsel verantwortlich. Der studierte Informatiker konzentrierte sich als UX-Designer zuerst auf Sofwareentwicklung. 2018 veröffentlichte er mit CITY OF KINGS sein erstes Brettspiel, das er über Kickstarter in seinem Verlag The City of Games sehr erfolgreich herausbrachte. 2019 folgte THE ISLE OF CATS, mit dem er sofort gleich in vier Kategorien in den BGG Awards nominiert wurde. Seine Idee stand auf der Liste der besten Spiele und der besten Familienspiele, zusätzlich war er nominiert für das Artwork und als bestes Spiel aus einem kleinen Verlag. In keiner Kategorie reichte es zum obersten Platz. Kein Wunder, gab es doch 2019 den Überflieger FLÜGELSCHLAG, der allein in acht Bereichen ganz vorn stand: In der letzten Kategorie musste er sich zusätzlich noch PARKS beugen. Zu anderen Zeiten hätten sicherlich auch Wests Katzen eine Chance auf eine Goldmedaille besessen.
Was zeichnet nun dieses Katzenpuzzle aus, das immer noch mit einer beachtlichen 8,0 Wertung im BGG-Ranking zu finden ist und das uns Uwe Bursik in einer deutschen Bearbeitung bei Skellig Games zugänglich macht?
Es ist sicherlich nicht die Geschichte, die ist ganz schön an den Katzenhaaren herbeigezogen. Es ist die Spielmechanik, die deutlich mehr bietet als das übliche Puzzleeinerlei und es ist die Gestaltung. Trotz der wunderschönen Poster in PARKS hätten für mich die Katzen um einige Schnurrhaare vorne gelegen.
Die Katzenretter (1-4) bekommen ein großes Rettungsschiff mit vielen Ratten an Bord, sodass alle sehnsüchtig auf Katzen warten. Um die Tiere von der Insel wegzuholen hat jeder noch einen Rettungskorb an der Hand. Da nur fünf Tage für die Rettung zur Verfügung stehen, müssen sich alle sputen beim Streit um die jeweiligen Katzen. Diese gehören fünf unterschiedlichen Rassen an, deren Zusammenhalt beim Ablegen auf dem Schiff eine große Rolle spielt.
West steuert sein Spiel ganz wesentlich über einen Karten- und Bezahlmechanismus, der zum Beginn jeder Runde abläuft. Die Katzenwährung sind natürlich Fische, 20 davon gibt es erst einmal. Dann bekommt jeder sieben Karten, die per Drafting verteilt werden. Allerdings behält man in jeder Draftrunde gleich zwei Karten. Um sie endgültig nutzen zu können, müssen sie bezahlt werden. Dabei muss man immer im Blick haben, dass auch die Katzen, von denen anfangs stets eine bestimmte Anzahl links und rechts der Katzeninsel platziert werden, Fische kosten. Links liegende Tiere kosten drei Fische, die auf der rechten Seite sind hungriger und nur für fünf Fische zu erwerben.
Die Karten besitzen unterschiedliche Funktionen und können in verschiedenen Phasen sowie für die Schlusswertung genutzt werden. Das gilt beispielsweise für die blauen Lektionskarten. Gelbe Karten bringen zusätzliche Schätze, kleine Puzzleteile, die zum Lückenfüllen taugen. Die grünen Karten regulieren die Katzenrettungsphase. Wer damit die meisten Bewegungspunkte spielt, erhält den ersten Zugriff auf die vorhandenen Katzen. Zusätzlich lässt sich mit diesen Karten der Korbvorrat vergrößern, sodass mehr als eine Katze gerettet werden kann. Beim Sichern der Tiere auf dem Schiffsdeck hat man mehrere Ziele im Blick. Ab drei farbgleichen Katzen beginnt die Familienwertung zuerst mit acht Punkten, später bringen Erweiterungen des verschlungenen Katzendominos dann jeweils fünf Punkte dazu. Auf mindestens zwei oder drei Familien sollte man sich schon konzentrieren. Dann sind die Ratten im Blick. Jede nicht gefangene kostet am Ende einen Punkt. Das gilt auch für die sieben Schiffsräume. Jeder nicht gefüllte bringt fünf Minuspunkte. Da sie unterschiedlich groß sind, sollte man abwägen, was man schaffen möchte oder wo man erst gar nicht mit der Arbeit beginnt. Regulierend greifen dabei die Lektionskarten ein. Wenn ich 10 Extrapunkte für die Vernichtung aller Ratten erhalte, kümmere ich mich natürlich mehr darum, auch die mittlere Reihe oder bestimmte Räume können dadurch interessanter werden.
Nach der fünften Runde folgt nur noch die Wertung mit den negativen und positiven Punkten für das Puzzleergebnis. Gleichstände werden über die Restbestände an Fisch aufgelöst. Da werden die belohnt, die ihren Katzen bei der Überfahrt auch noch etwas Essbares übriggelassen haben.
Bei der INSEL DER KATZEN kommt es zu einer ständigen Abwägung, der Dinge, die man sofort haben möchte, langfristig aber auch braucht. Der Geldhaushalt prägt den Spielablauf und die Varianz, da nie alle Karten im Spiel sind. So wartet man sehnsüchtig auf zusätzliche permanente Körbe, die sich unter den lilafarbenen Karten verbergen, weil sie langfristig Kosten sparen helfen. So hofft man in jeder Runde, dass die neu gezogenen Katzenfarben auf der linken Inselseite, den eigenen Sammlungsbereichen entsprechen. Sinn macht es, möglichst andere Farben als die Mitspieler zu sammeln und einen frühen Zugriff auf das neue Angebot zu bekommen. Das Puzzeln spielt zwar auch eine Rolle, ist aber nicht so dominant. Trotzdem ergibt sich am Ende meist ein imposantes Katzengewusel auf dem Deck des Schiffes.
Diese Mischung aus einer Art Wirtschaftsspiel mit den Legekomponenten machen für mich DIE INSEL DER KATZEN zu einem außergewöhnlich guten Spiel. Die Umsetzung ist bis ins kleinste Detail gelungen. So dienen die fantastischen Holzkatzen der Zugreihenfolge und in der Menge letztlich nur der Jokermarkierung der Oshax-Katzen, die Farbfamilien erweitern. Einfache Marker hätten zwar auch gereicht, aber der Verlag hat sich für wertige Katzenfiguren entschieden. Außerdem wird an eine einfachere Familienvariante gedacht, sowie an das Solospiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE INSEL DER KATZEN
Autor: Frank West
Grafik: Frank West, Dragolisco
Verlag: Skellig Games
Spieler: 1-4
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 60 - 90 Minuten
Preis: 50 Euro
Spiel 10/2021
Freitag, 26. Februar 2021
FINSTERE FLURE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Friedemann Frieses Filosophie beruht auf den Worten mit „F“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Vertraut Frieses Fantasie doch allein auf die Kraft der Fiktion, die uns in seinem neuesten Fantasiegebilde durch FINSTERE FLURE führt in das fürchterliche Labyrinth Fürst Fiesos, in dem Furunkulus, sein Hofmonster, furchtbaren Furor verbreitet.
Echt schräg, was da daherkommt, Frankenstein lässt grüßen. Friese lässt seinen Furunkulus, das fürchterliche Fantom, das durch die FINSTEREN FLURE eilt, als Spiel vor dem Spiel aus einem „Monsterbausatz“ dreidimensional entstehen. Dieses Monster bewacht anfangs den Ausgang der dunklen Gänge. Die Spieler, zwei bis sieben können es sein, führen meist vier, ab fünf Spielern auch nur drei Spielfiguren, die unter Ausnutzung von Deckungsmöglichkeiten und aufopfernden Verhaltens der Mitspieler versuchen müssen, ins Freie zu kommen. Schafft ein Spieler alle bis auf eine seiner Spielfiguren aus der Festung Fiesos heraus, hat er das Spiel gewonnen.
Vorher gilt es aber, sich der Attacken des Monsters zu erwehren. Jede Spielfigur kann sich innerhalb von zwei Runden sieben Felder bewegen. Die Aufteilung für die vier Bewegung der Figuren entspricht der von gegenüberliegenden Würfelseiten: 1:6, 4:3, 3:4 und 5:2. Schnelle Figuren müssen daher einkalkulieren, dass sie im nächsten Zug ganz langsam sind, mittelschnelle, dass sie nie allzu weit sich entfernen können. Für Deckung und Fortbewegung wichtig sind 11 Steinblöcke, die sich in den Fluren verteilen, ebenso wie zwei Blutlachen. Die Steinblöcke dienen als Sichtschutz, können auch verschoben werden. Über die beiden Blutlachen gleiten Spielfiguren elegant hinweg, um auf dem Spielfeld dahinter sicher zu landen. Die Monsterfigur kann das natürlich auch.
Furunkulus handelt und bewegt sich wie ein mechanischer Roboter, einerseits damit berechenbar, aber an seiner Bewegungssteuerung arbeiten alle Mitspieler. Seine Zugweite ergibt sich durch Aufdecken von Bewegungskarten, die das Ungeheuer 5, 7, 8 oder 10 Felder sich bewegen lassen. Bei zwei Karten wird die Trefferquote sogar vorgeben, da stoppt das Monster erst, wenn es einen oder zwei Eindringlinge erwischt hat. Maximal bewegt Furunkulus sich dabei 20 Felder. Das Bewegungsreizschema für das Monster funktioniert so: Furunkulus blickt nie zurück, so dass man sich im Rücken des Monsters sicher fühlen kann. Die Figur blickt geradeaus, nach rechts und links, solange sie keinen Eindringling erblickt, behält sie ihre Zugrichtung bei, sobald aber eine Figur in einer der Blickrichtungen auftaucht, dreht sie sich in diese Richtung und macht einen Schritt auf die Figur zu. Die Überprüfung erfolgt auf jedem Feld, so dass das Monster automatisch in den Sog der Spielfiguren gerät. Sind mehrere Figuren im Blickfeld, entscheidet sich Furunkulus für die näher stehende. Sind die Figuren gleich weit entfernt, zeigt sich das Monster verwirrt und behält seine Zugrichtung bei. Bei seinen Bewegungen schiebt Furunkulus alles vor sich her, was im Wege steht, das gilt auch für Steine. Dahinterstehende und sich versteckt haltende Spielfiguren, werden einfach mitgeschoben und, wenn sie Pech haben, an der Wand platt gedrückt. Steinbrocken können so aus dem Spiel geschoben werden, das Monster selbst nicht, es wandert an der einen Seite des Spielplans hinaus, um auf der anderen Seite wieder ins Spiel einzutreten. Friese hat Ein- und Austritt über Buchstabentüren in den Mauern geregelt. Bis zur letzten Bewegungskarte des Monsters läuft der erste Spielabschnitt, in dem gefangene Figuren immer wieder ins Spiel kommen. Der Ernst des Lebens beginnt danach, wenn Furunkulus die Spielfiguren ernsthaft gefährdet. Während des zweiten und letzten Spielabschnitts werden die Figuren endgültig aus dem Spiel entfernt.
Damit ist der Spielablauf des Grundspiels in seinen Grundzügen beschrieben. Den Spielspaß kann man vielleicht erahnen. FINSTERE FLURE scheint auf den ersten Blick ein planbares, berechenbares Spiel zu sein, da das Monster ja einen programmierbaren Weg läuft. Da die Feinabstimmung des Programms aber immer erst mit der Bewegung der letzten Spielfiguren endet, sind alle vorherigen Planungen meist für die Katz. Frieses Spiel macht vor allem dann Spaß, wenn es aus dem Bauch heraus gespielt wird. Der immer wieder auftretende Überraschungseffekt des Spiels stellt seinen besonderen Spielreiz dar. Deshalb macht es besonders in der ganz großen Runde mit sechs oder sieben Spielern richtig Fez! Zu zweit und zu dritt lässt sich Frieses Spiel durchaus taktisch angehen, ab vier Spieler gelingt das schon nicht mehr. Wer es schafft, mit einer Opferung durchzukommen, gewinnt meist in der neunten oder zehnten Runde. Sobald zwei Figuren in der ersten Phase erwischt wurden, ist man weg vom Fenster und kann Harakiri spielen, um die anderen noch zu ärgern. Eine Partie FINSTERTE FLURE ist bei geübten Spielern meistens schon nach 30 Minuten vorbei, so dass in der Revancherunde ein neues Monster auf die Jagd geschickt werden kann. Meist bleibt es nicht bei nur einer Wiederholung.
Wird das Grundspiel zu langweilig, können die Regeln für das „Fortgeschrittenenspiel“ herangezogen werden, bei denen das Monster durch Steine blickt und an Steinen umgeleitet werden kann. Teleportersteine sorgen dafür, dass die ganze Kalkulation noch schneller über den Haufen geworfen wird, als das im Grundspiel sowieso schon passiert.
Spielmaterial, Graphik und Regel sind von der inzwischen guten friedemannschen Qualität, was vor ein paar Jahren absolut nicht selbstverständlich war. Thematisch passt der Comic-Stil des Illustrators Maura Kalusky ausgezeichnet zu dem Spiel. Er und Friedemann Friese stehen als Klebebeigaben für den Spieleinsatz zur Verfügung. Achten Sie deshalb besonders beim Bekleben der grünen Spielsteine darauf, einen für den Autor zu reservieren.
Eine Computerversion gibt es für Mac- und Windowsrechner auf der Homepage von 2F-Spiele. Pac-Man-like verschlingt das Monster dort gelbe Figuren, wobei man versuchen muss, die grünen zu retten. Wöchentlich laufen zur Zeit Verlosungen von 2F-Spielen und Freischaltungen weiterer Schwierigkeitsstufen in dem Spiel. Diese Fassung hat nur bedingt etwas mit dem Brettspiel zu tun, trotzdem bietet das Programm die Möglichkeit zu einem ersten Hineinschnuppern in die FINSTEREN(n) FLURE.
Wieland Herold
Titel: FINSTERE FLURE
Verlag: 2F-Spiele
Autor: Friedemann Friese
Graphik: Maura Kalusky
Spieler: 2 bis 7
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 10/2004 R41/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 50jährige Friedemann Friese hat schon mehr als die Hälfte seines Lebens mit dem Entwickeln und Herausgeben von Spielen verbracht. 1992 war das noch im Rahmen einer „Spiele-Bau-Stelle“, ab 1994 startete er ab mit 2F-Spiele durch.
Friese hat eine Vorliebe für den Buchstaben F und die Farbe Grün. Das erste bedingt sein Vor- und Nachname, das zweite seine Haarfrisur. Es ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch das seiner Spiele, die in der Regel mindestens ein F im Titel besitzen müssen und grün designt sind.
Frieses erfolgreichstes Spiel ist FUNKENSCHLAG. Sehr bekannt ist außerdem FAUNA, das 2009 zum Spiel des Jahres nominiert war. Der Deutsche Spielepreis würdigte häufiger seine oft abgedrehten Ideen wie FINSTERE FLURE, das 2004 den achten Platz erreichte.
Friese engagiert sich auch für die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ), von 2009 bis 2011 war er deren Vorsitzender.
Das Bild zeigt den Autor im zeitlichen Umfeld des besprochenen Spiels, es stammt vom Autorentreffen in Göttingen aus dem Jahre 2005.
Donnerstag, 25. Februar 2021
OBSTHAIN
Solospiel mit Suchtfaktor
Das Schachteldesign im kleinen Format ist out. Die klassische Stülpverpackung ist fast schon rar. Da gibt es den leicht magnetischen Klappverschluss von Loki oder die schicken Schuber von moses. Board Game Circus hat sich für OBSTHAIN etwas ganz Neues einfallen lassen oder vom Lizenzgeber Side Room Games übernommen. Die Schachtel wirkt wie eine nach unten offene Zigarettenpackung. Der Inhalt rutscht auch bei senkrechter Haltung der Schachtel aber nicht nach unten weg. Es scheint fast wie ein Zaubertrick: Die Innenschachtel schiebt sich nur leicht heraus, sodass sie ohne Probleme dann herausgezogen werden kann. Genial, so etwas möchte ich häufiger sehen, da das Öffnen mancher Verpackung mich oft schier in die Verzweiflung treibt.
Nicht nur das äußere Ambiente ist genial, auch der Inhalt kann sich sehen lassen und zeigt, dass Daniel Theuerkaufer und sein Team international als genialer Trüffelsucher unterwegs ist und Spieleperlen veröffentlicht, die jedem anderen Verlag auch gut ins Programm gepasst hätten. OBSTHAIN stammt von dem britischen Grafikdesigner Mark Tuck, der seit 2016 gezielt Print & Play-Spiele für den jährlichen BGG-Wettbewerb entwirft. Auf 25 Spielideen hat er es inzwischen gebracht. Mit seinem Solospiel OBSTHAIN (im Original ORCHARD) gewann er 2018 den ersten Platz. Die Rechte an dem Spiel sicherte sich dann Side Room Games, ein noch recht junger Verlag aus New Mexiko, der sich spezialisiert hat auf die Umsetzung guter Print&Play-Versionen. Die Männer um Dustin Culberston veröffentlichen seit 2017 Spiele. Die Idee von Mark Tuck ist bisher ihre erfolgreichste Publikation. 2021 erscheint mit GROVE eine Variante mit Zitrusfrüchten bei Side Room Games.
Für den deutschen Markt hat Board Game Circus das Spiel aufbereitet und wird ähnliche Erfolge einfahren dürfen. Die erste Auflage ist schon einmal weg, weitere werden folgen. Ein Solo-Spiel passt im Augenblick perfekt in unsere kontaktarme Zeit. Mark Tuck führt uns in seinen Obstgarten mit Äpfeln, Birnen und Pflaumen. 18 Karten, die jeweils sechs beliebige Bäume in einer 2x3-Anordnung zeigen, sind im Spiel. Pro Runde benötigen wir nur neun davon. Außerdem haben wir für jede Obstsorte fünf Würfelanzeigen, die den Fortschritt des Ertrags bilanzieren. Zwei Wurmmarker kennzeichnen faules Obst.
Das Spiel selbst ist schnell erklärt. Mit zwei Handkarten entwickle ich meinen Obstgarten, durch vor allem passendes Übereinanderlegen der Karten. Damit wird OBSTHAIN zum abstrakten räumlichen Puzzle, in dem ich versuche, passende Obstarten übereinander zu legen. Dazu darf ich die Karten um 180 oder 90 Grad in jede Richtung drehen, eine Überdeckung mit einem vorhandenen Baum muss auf alle Fälle erreicht werden. Jede korrekte Überdeckung führt zum Wachstum der Früchte. So wächst der Ertrag von einer Frucht, zu drei, sechs und zehn Früchten, die auf dem Würfel gleich mit einem ganzen Obstkorb symbolisiert werden. Da ich nur fünf Würfel von jeder Sorte habe, sollte ich mich auch möglichst auf das Wachstum von den wenigen Bäumen konzentrieren. Gehen mir die Würfel aus, gibt es keine neuen Birnen oder Äpfel, ich darf Würfel, die isoliert auf der „1“ stehen auch nicht mehr umgruppieren. Immerhin ermöglichen es mir die beiden Würmer zweimal im Verlauf des Spiels, nicht deckungsgleich abzulegen, so kommt man wieder an Würfel, die Stelle wird aber mit einem Wurmmarker gekennzeichnet, der ist ab sofort von jeder weiteren Überdeckung ausgeschlossen.
Sind alle neun Karten gelegt, endet das Spiel nach fünf bis zehn Minuten Drehen und Wenden der Obstbäume, um zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen. Für die Bilanz der individuellen Puzzle-Leistung gibt es zum Schluss eine Wertungsübersicht. Alles, was unter 30 Punkten läuft, ist irgendwie wurmstichig. Ab 35 Punkten wird es aber immerhin „deliziös!“, alles über 55 Punkten läuft unter „Newton-Niveau“ ab.
Tucks Puzzle-Garten kann mit mehreren Spielern auch gegeneinander gespielt werden. Das klappt gut, da jede Baumkarte eine Zahl besitzt, die dann einfach aufgerufen wird. Einziger Nachteil, man brauchte eigentlich einen Sichtschirm, damit nicht zu identische Ergebnisse herauskommen. Wir sind dazu übergegangen, jedem eine andere Startkarte zu geben, dann funktioniert das Duell tadellos.
OBSTHAIN ist eine spannende Puzzle-Aufgabe, die mindestens für die ersten dreißig Partien süchtig macht. Das Spiel ist zwar schnell verstanden, aber in hohen Punkteregionen schwer beherrschbar. Manchmal hängt es auch davon ab, welche Karten zur Verfügung stehen, aber man lernt schnell dazu und entwickelt einen Blick für die richtige Anlage des eigenen Obstgartens. Tolles Spiel, ich freue mich schon, wenn der Zitronenhain ebenfalls im Board Game Circus Station macht.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: OBSTHAIN
Autor: Mark Tuck
Grafik: Mark Tuck
Verlag: Board Game Circus
Spieler: 1
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 5 - 10 Minuten
Preis: 10 Euro
Spiel 9/2021
Mittwoch, 24. Februar 2021
EINFACH TIERISCH
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gleich vorweg: Das Spiel EINFACH TIERISCH von Reiner Knizia gab es schon einmal. Der produktive Autor hat hier wieder einmal eine alte Idee recycelt, die bei Ravensburger als HIGH SOCIETY erschienen ist. Ein näherer Blick darauf lohnt trotzdem. Einmal, weil das Ravensburger Spiel schon lange nicht mehr auf dem Markt ist, und zum anderen, weil die neue Fassung von Amigo um ein Vielfaches besser und preiswerter umgesetzt wurde.
EINFACH TIERISCH ist ein Kartenspiel, bestehend aus 55 Geld- und 16 Tierkarten. Identische Sätze der Geldkarten stehen den drei bis fünf Spielern ab acht Jahren zur Verfügung. Mit im Spiel erworbenen Tierkarten wird der Sieger ausgemacht, da gibt es normale Siegpunktkarten und einige Sonderkarten, die positive, aber auch negative Auswirkung auf die Endabrechnung zur Folge haben.
Der Spielablauf ist einfach. Eine Tierkarte wird zur Versteigerung aufgedeckt. Für Gebote gilt, dass Geldkarten offen ausgelegt werden. Steigt ein Spieler aus, erhält er sein Geld zurück. Derjenige, der den Zuschlag erhält, muss natürlich sein Geld abgeben. Bei negativen Karten kehrt sich dieser Vorgang um. Der Spieler, der als erster passt, muss diese Karte nehmen, erhält aber sein Geld zurück. Alle anderen verlieren die vor ihnen liegenden Geldkarten.
Das Spielende ist besonders pfiffig geregelt. Einige der Sonderkarten besitzen einen blauen Hintergrund. Wird die vierte Karte dieser Art aufgedeckt, endet das Spiel sofort. Dann wird die Finanzlage der Spieler überprüft, derjenige mit dem wenigsten Geld scheidet augenblicklich aus der Siegwertung aus. Die andern ziehen Bilanz, indem sie die normalen Punktwerte addieren und diese mit den Sonderkarten verrechnen.
Natürlich ist dieses Spiel wie schon HIGH SOCIETY eine HOLS DER GEIER-Variante, aber was für eine! War HOLS DER GEIER ein recht glücksorientiertes Ablegespiel, bringt die Versteigerung zusätzlichen Pfiff in den Spielablauf. Zumal man stets die Schlussbedingung im Auge haben muss, da man als ärmster Spieler rausfliegt. Auch die Staffelung der Geldscheine – gewechselt wird nicht – ist genau austariert. Spannend auch das unkalkulierbare Ende, das immer wieder gehegte Hoffnungen zunichtemacht. Ein rundes Spiel, ein Muss für jede Grundausstattung einer Spielesammlung! All das Lob schließt das Vergnügen über die gelungenen Tiergrafiken mit ein.
Wieland Herold
Titel: Einfach tierisch
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Björn Pertoft, Markus Wagner
Verlag: Amigo
Spieler: 3-5
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: 7 Euro
Spiel 9/2004 R40/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2016 als Reiner Knizia mit MMM! für das Kinderspiel des Jahres nominiert war.
Montag, 22. Februar 2021
INSPEKTOR NASE
Es wird inzwischen zur guten Tradition bei NSV neben einen neuen Roll&Write-Spiel ein richtig gutes Kinderspiel mit im Programm zu haben. Garant für die Qualität ist Redakteur und Spieleautor Reinhard Staupe, der für Spiele wie ALLE GEGEN RUDI (2018), KIPPELINO (2019) und WIR SIND DIE ROBOTER (2020) verantwortlich zeichnet. Sein letztes Spiel landete auf der Nominierungsliste für das Kinderspiel des Jahres. Für das Rennen um Preise schickt Staupe 2021 eine Schnüffelnase auf die Strecke und wie so oft schon hat er wieder einmal den richtigen Riecher. Er trifft mit dem Krimi-Genre den Bereich, der sicherlich den roten Pöppel für das Spiel des Jahres mit MICROMACO: CRIME CITY gewinnen wird. Mit seinem kooperativen Ansatz liegt er im Kinderbereich gut und assoziativ mögen es ebenso ganz Viele. Es sollte mich nicht wundern, wenn INSPEKTOR NASE wieder auf einer Jury-Liste auftaucht.
Über fünf Runden läuft die Ermittlung des Inspektors, der sich in dieser Zeit mit fünf Fällen auseinandersetzt. Seine Rolle übernehmen abwechselnd zwei bis fünf Kinder, die laut Verlagsangabe sieben Jahre alt sein sollten, die Spielidee aber durchaus schon früher verstehen. Unser Inspektor bekommt fünf doppelseitige Bildkarten, die er beliebig auswählen darf. So ein bisschen sollte er darauf achten, dass einzelne Bereiche wie Nahrung, Spielzeug oder Tiere sich nicht zu oft wiederholen. Geheim zieht er dann eine Zahlenkarte, die die Karte definiert, die der Rest der Gruppe durch Ausschlussverfahren finden muss.
INSPEKTOR NASE lässt sein Ermittlungsteam nicht im Dunkeln tappen, sondern liefert Indizien über Bildhinweise auf Würfeln. Fünf davon wirft er immer, einen wählt er aus, in der Hoffnung, dass es ein Hinweis auf die zu suchende Karte sein könnte. Schauen wir uns eine solche Reihe an. Da haben wir einen Indianer, zwei Maiskolben, eine Stechmücke, eine Köchin und einen Grill. Gesucht sind die Maiskolben. Der erste Würfel, den er herauslegt, zeigt einen Zaun. Unser Inspektor hofft, dass den anderen über Gartenassoziationen die Mais-Zuordnung nicht schwer fällt, der Grill kann in dieser Phase durchaus auch mit zum Kalkül gehören. Sein Team muss die gesuchte Karte noch nicht finden, sondern eine, von der es sicher ist, dass sie nicht in Betracht kommt. Gehen wir einmal davon aus, dass alle der Meinung sind, dass für eine Mücke ein Zaun kein Hindernis ist und diese wegsurren lassen. Beim nächsten Wurf fällt es Hase schwerer, etwas Passendes zu finden. Seine Würfel zeigen ein Flacon, einen Koffer, einen Tunnel, eine Trillerpfeife und einen Eimer. Er entscheidet sich für den Eimer, da sein Mais irgendwann Wasser gebraucht hat, der kann natürlich außerdem gefüllt neben dem Grill als Löscheimer stehen und als Wischeimer neben der Köchin in der Küche. Sein Team wirft daher, dieser Logik folgend, den Indianer aus der Reihe. Auch sein dritter und hoffentlich vorletzter Wurf ist nicht wirklich ergiebig. Die Würfelbilder zeigen eine Schnur, einen Stuhl, eine Rakete, einen Wecker und ein Honigglas. Hase nimmt das Glas Honig, in der Hoffnung, dass die gelbe Honigfarbe die Nähe zu den gelben Maiskolben nahelegt. Da der Honig auch in der Küche verbraucht werden könnte, entscheiden sich seine Mitspieler den Grill zu entfernen. Beim letzten Wurf nimmt der Inspektor ein Symbolbild der Welt, da es die Maispflanze ja überall gibt. Lassen wir den Ausgang einmal offen, denn die Beratung der Spieler könnte auch ergeben, dass ebenso überall gekocht wird. Alle Karten, die korrekt aus der Bildreihe genommen wurden, sind Siegpunkte für das Ermittlungsteam. Nach vier weiteren Runden steht das Ergebnis fest und die Gruppe darf sich hoffentlich über die Würdigung als „Codeknacker“ oder „Profispion“ freuen.
Grübeln gehört zu INSPEKTOR NASE dazu. Das Grübeln liegt einmal auf seiner Seite, wenn die Würfel nicht so richtig passen und er um die Ecke denken muss, allerdings nachvollziehbar für seine Partner. Das Nachdenken gehört aber auch zum Team, das diskutieren darf. Dies ist eine besondere Stärke des Spiels, die es eigentlich fast notwendig macht, dass das Spiel erst ab drei Ermittlern Sinn macht. Sind neue Kinder beteiligt, sollte man kurz die Würfelsymbole durchgehen und erläutern. Das meiste ist klar, aber der Flacon ist bei mir auch schon als Seilbahngondel vorgekommen. Zum Spiel gehört auch die anregende Diskussion danach, wenn der „Inspektor“ erklärt, was er sich bei der Zuordnung gedacht hat, worauf die anderen vielleicht nicht gekommen sind.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: INSPEKTOR NASE
Autor: Reinhard Staupe
Grafik: Oliver Freudenreich
Verlag: NSV
Alter: ab 7 Jahre
Spieler: 2-5 Spieler
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 8/2021
Sonntag, 21. Februar 2021
RÄUBER UND GENDARM
SAMMELSURIUM
Bütehorn Spielkassetten: RÄUBER UND GENDARM
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
RÄUBER UND GENDARM
Das Spiel von Rudi Hoffmann erschien in der kleinen Bütehorn-Reihe, die das hälftige Format der mittelern Schachtelgröße ausmachte. Auch dieser kleinen Pappverpackung verpasste Bütehorn den markanten Druckknopf.
RÄUBER UND GENDARM ist ein Bluffspiel für zwei Spieler ab acht Jahren. Jeder besitzt sechs Polizisten und einen Räuber, die sich auf einem 7x8 Felder großen Spielfeld gegenüberstehen. Ziel ist es, den gegnerischen Räuber mit einem der eigenen Polizisten zu fangen. Der Reiz dabei, nur einer der sechs Gendarmen, hat die Befugnis zur Festnahme. Welcher das ist, wird anfangs über Zahlenkärtchen zugelost. Das wissen natürlich nur die Hüter des Gesetzes und nicht die Räuber.
Zugtechnisch läuft das Spiel ganz einfach ab. Alle Figuren dürfen sich in alle Richtungen stets nur ein Feld weit bewegen. HALMA-Sprünge sind auch als Kettensprünge erlaubt, es dürfen sogar zwei hintereinanderstehende Figuren übersprungen werden. Gefangengenommen ist der gegnerische Räuber, wenn der befugte Gendarm auf sein Feld zieht oder durch Sprünge erreicht.
Obwohl eigentlich nur zwei Figuren wichtig sind, agiert man zwingend mit allen, täuscht Angriffsfinten vor, um den Räuber in die Falle zu locken. Das ist ein kleines, feines taktisches Geplänkel , das sich da auf dem überschaubaren Spielfeld abspielt, das zu immer neuen Revancherunden reizt. Daher sollte man auch vorher vereinbaren, mindestens auf drei, besser noch auf fünf Gewinnsätze zu spielen.
Zwei Varianten sorgen für weitere Abwechslung, so können zwei Räuber auf jeder Seite mitspielen. Da die Bedrohung des Räubers eher zu wenigen Bewegungen dieser Figur führt, man versucht sie eher zu schützen, macht vor allem die Variante AUSSER GEFAHR Sinn. Bei der darf ein Räuber nicht mehr gefangen genommen werden, wenn er die Startreihe des Gegners erreicht.
RÄUBER UND GENDARM gehörte dank der Auszeichnung zu den Spielen, die Hexagames 2002 mit übernahm. Die Spielidee erschien dann noch einmal als GANOVEN JAGD 1989 bei Schmidt Spiele.
Titel: RÄUBER UND GENDARM
Autor: Rudi Hoffmann
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 15.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 8 - S8/2021
Freitag, 19. Februar 2021
GESPENSTERJAGD AUF CANTERVILLE CASTLE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf der Jagd nach Max
Seit 1983 wird Mr. X in London mit Taxen, Omnibussen und U-Bahnen von „Scotland Yard“ gejagt. 18 Jahre später fühlt sich das Schlossgespenst Max nicht mehr sicher in Canterville Castle, da vier mutige Gespensterjäger ihm auf der Spur sind. Das atmosphärisch wunderschön umgesetzte Spiel GESPENSTERJAGD von Kai Haferkamp kann seine Nähe zu dem „Spiel des Jahres“ 1983 nicht verleugnen, in beiden Spielen gehen mehrere Spieler auf die Suche nach einer Person. Für Kinder ist aber die bei Amigo erschiene Variation des Klassikers allemal empfehlenswerter.
Ein Spieler übernimmt die Rolle vom Max, dem Schlossgespenst, die Mitspieler sind die Gespensterjäger, die gut kooperieren müssen, um Max zu fangen. Die Jäger stellen ihre Figuren im Schloss verteilt auf, sie dürfen alle Räume während des Spiels mehrfach besuchen. Max darf jeden Raum nur einmal betreten bzw. mit Sonderkarten zwei Räume zweimal. Die meiste Zeit bleibt das Schlossgespenst natürlich unsichtbar, nur alle vier bis sechs Runden muss Max sich zeigen. Das Spiel endet, wenn einer der Verfolger sich mit Max in einem Raum befindet oder wenn es der Gespensterspieler schafft, über 24 Runden unentdeckt zu bleiben. Max kann die Vorteile seines Gespensterdaseins nutzen und durch Wände und Decken seinen Verfolgern enteilen. Ein nur ihm bekannter Geheimgang und eine Fluchtmöglichkeit durch den Schornstein unterstützen seine Möglichkeiten.
GESPENSTERJAGD hat alles, was ein gutes Familienspiel braucht. Das Regelwerk ist einfach, die Spielabläufe sind für Kinder gut nachvollziehbar, das kooperative Miteinander macht Spaß, das Spielmaterial und die grafische Aufbereitung genügen höchsten Ansprüchen, der Wiederspielwert ist hoch, zu guter Letzt: das Spiel ist für diese Ausstattung preisgünstig.
Wieland Herold
Titel: GESPENSTERJAGD AUF CANTERVILLE CASTLE
Autor: Kai Haferkamp
Grafik: Doris Matthäus
Verlag: Amigo
Spieler: 2-5
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Spiel 14/2002 R38/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in Oldenburg geborene 53-jährige Rechtsanwalt Kai Haferkamp lebt inzwischen in Osnabrück und zählt zu den erfolgreichsten Spieleautoren Deutschlands. Mit über 150 Veröffentlichungen kennen wir ihn vor allem als Spezialisten für spielerische Adaptionen von Kinderbuchklassikern.
Bei seinem Start 1993 mit EGALITÉ hätte man das eher nicht vermutet, aber ab der Jahrtausendwende hat er in diesem Bereich sein Hauptbetätigungsfeld gefunden und wird entsprechend von den Verlagen angefragt.
2007 habe ich als damaliger Sprecher der Kinderjury seine Leistung so zusammengefasst: „Der Osnabrücker Rechtsanwalt Kai Haferkamp ist der erfolgreichste Kinderspielautor der vergangenen Jahre. Seit 2003 konnte er sich Jahr für Jahr mit mindestens einem Spiel auf der Empfehlungs- oder Nominierungsliste der Jury platzieren. Seine besondere Stärke sind spielerische Umsetzungen literarischer Vorlagen. LAURAS STERNENSPIEL, veröffentlicht bei Amigo, wurde 2003 zum Kinderspiel des Jahres nominiert. DER KLEINE PRINZ von Antoine de Saint-Exupéry und JIM KNOPF von Michael Ende erschienen als Spiel bei Kosmos, ebenso wie „DAS KLEINE GESPENST von Ottfried Preußler für das Haferkamp 2005 den Hauptpreis erhielt. War es bisher typisch für ihn, dass er kongeniale Spiele zu erfolgreichen Kinderbüchern entwickelt hat, so hat er mit RETTET DEN MÄRCHENSCHATZ erstmals ein Spiel gestaltet, in dem man das von ihm selbst geschriebene Märchen erlebt.“
2008 war er noch für ABENTEUER AUF DER SCHATZINSEL nominiert, 2009 bis 2011 mit DER KLEINE RITTER TRENK, DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT und MAGORS LESEZAUBER auf der Empfehlungsliste.
Das Bild zeigt Kai Haferkamp auf der Preisverleihung in Berlin mit seiner Urkunde für DAS KLEINE GESPENST.
Donnerstag, 18. Februar 2021
DAS ZEHN VASEN SPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DAS ZEHN VASEN SPIEL
Scherben bringen Glück: Zu kunstvoll gestalteten Vasen zusammengefügt, lässt sich aus Scherben viel machen, punkteträchtiges Vasensammeln zum Beispiel. Das Ambiente liefert Ferdinand Hein, ambitionierter Kleinverleger aus Augsburg, die Spielidee der kreative Ammerländer Jean du Poël.
Zehn prachtvolle Vasen hat Poël für sein Spiel zerdeppert, ganz geordnet liegen die Scherben in einer quadratischen Auslage, alles in kräftigen Farben auf stabile Pappkärtchen gemalt. Zwei bis vier Spieler ab sechs Jahren gehen mit großen handlichen Spielfiguren ans Einsammeln der Vasenteile. Dazu ziehen sie ziehen ihre Holzfigur zwei oder drei Felder weit über die Trümmerlandschaft, dabei dürfen sie einmal im rechten Winkel abbiegen. Diese simple Bewegungsregel reicht zur Entfaltung eines hochtaktischen Sammelspiels aus. Übersprungene Vasenteile werden aufgenommen. Anfangs dürfen die Spieler sie auf der Hand behalten, ab einer bestimmten Kartenanzahl, müssen Vasenteile aber ausgelegt werden, wobei damit der Zugriff für Mitspieler ermöglicht wird, sofern nicht mindestens drei Vasenteile ausliegen. Wer geschlagen wird, hat Pech: er wird an eine völlig neue Stelle des Spielfeldes versetzt. Gewonnen hat, wer am Schluss die meisten vollständigen oder fast kompletten Vasen vorzeigen kann.
Das Vasenspiel ist ein kleines taktisches Schmankerl, bei dem die unterschiedliche Zugweite und die Nutzung von Spezialfeldern eine wichtige Rolle spielen. Spätestens nach zwanzig Minuten sind die Vasenteile abgeräumt, so dass genügend Zeit für eine oder mehrere Revanchepartien bleiben. Für Liebhaber taktischer Spiele gilt eine unbedingte Kaufempfehlung. Überzeugend ist, dass das Spiel zu zweit, zu dritt und zu viert die Spielspannung, die es verspricht, auch einhält. Die grafische Umsetzung und das Spielmaterial genügen hohen Ansprüchen, hier kann der kleine Augsburger Verlag durchaus mit den Großen mithalten.
Wieland Herold
Titel: Das Zehn Vasen Spiel
Autor: Jean du Poël
Verlag: Dr. F. Hein Spiele, Gunterstr. 13, 86152 Augsburg, Telf. 0821 - 312627
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- €
Spiel 20/2001 R37/2021
Die Rezension erschien 2001 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
In Bad Essen hat Jean du Poël von 1985 bis 2002 mehr als 40 Spiele veröffentlicht und alle ursprünglich im eigenen Historien-Spieleverlag herausgegeben. Einige seiner Ideen wurden von anderen Verlagen aufgegriffen, so das Geschicklichkeitsspiel CARABANDE, das er als AVUS 1995 in Göttingen auf dem Autorentreffen vorstellte. Die Bearbeitung von Goldsieber erhielt 1996 den Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel.
Auch DAS ZEHN VASEN SPIEL erschien zuerst als AMPHORAE in Poëls Spielegalerie.
2002 erhielt Jean du Poël für seine Leistung den Inno-Spatz der Stadt Göttingen. Wie schon bei Franz Scholles durfte ich damals die Laudatio halten. Ich habe ihn als letzten „Allrounder im Spielegeschäft“ beschrieben. Jean du Poël pflege „sein Nischendasein“ jenseits der großen Verlagsgeschäfte, setze auf die Qualität seiner Spielprodukte, an die er äußerst hohe Maßstäbe anlege.
Umsetzen konnte Poël diesen hohen Anspruch nur dadurch, dass er sich für alles zuständig fühlte. Auf Arbeitsteilung verließ er sich nicht, von der Ideenentwicklung über die gestalterischen Entwürfe bis zur handwerklichen Fertigung aller Spielmaterialien. Seine Siebdruckanlage und seine Holzwerkstatt leisteten ihm dabei vorzügliche Dienste. Jean du Poël war Handwerker im ursprünglichen ganzheitlichen Sinne: Kunsthandwerk verbunden mit Autorentätigkeit, dem Erzählen von Geschichten aus der Vergangenheit in seiner Historien Spielegalerie ließen ihn zu einem originären Künstler werden. „Aus jedem geschichtlichen Ereignis kann man ein Spiel machen“, behauptete er und belegte das mit vielen historischen Ausflügen in die unterschiedlichsten Epochen. Die Antike hat es ihm dabei besonders angetan, so zählt zu seinen bekanntesten Spielen seine Diplomarbeit aus dem Jahre 1984 MARE MEDITERRANEUM, ein faszinierendes Seehandelsspiel mit einem einen Meter langen Spielplan und einer Materialfülle, vor der jeder normale Verlag die Segel gestreckt hätte.
Leider ist dieser begnadete Spielehandwerker 2016 nach langer Krebserkrankung verstorben. Das Foto zeigt ihn 1992 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 17. Februar 2021
IM MÄRCHENWALD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vielseitig: IM MÄRCHWALD
Es war einmal ... , so muss natürlich ein Märchenspiel beginnen. Ein König sucht Rettung für seine erkrankte Tochter. Märchenbilder erfreuen sie besonders, gleich sieben sollten es sein und die müssen ganz eilig ins Königschloss gebracht werden, damit die sieben Zwerge, die recht herrisch sich in diesem MÄRCHENWALD aufspielen, die Prinzessin nicht in ihr Dorf entführen.
Der Wald besteht aus 7x7 verdeckt abgelegten Karten, auf denen Märchengegenstände, aber auch Raben, Hexen und sieben Zwerge abgebildet sind. Eine Startkarte gibt vor, welches Märchenbild die Prinzessin als erstes haben möchte. Reihum decken die Kinder Karten auf und gehen auf die Suche. Ist der Gegenstand gefunden, weist ein Zauberspiegel auf das neue Suchobjekt. Alles wäre so einfach, wenn nicht Raben die gefundenen Karten stibitzen würden und Hexen die gerade mühsam eingeprägte Kartenreihenfolge ständig durcheinander brächten. Außerdem stößt man immer wieder auf die Zwerge. Sollten davon sieben vor der geglückten Suche nach allen Märchenkarten für die Prinzessin aufgedeckt werden, haben die Zwerge und nicht die Spieler die Partie IM MÄRCHWALD gewonnen.
Autor Nikisch, inzwischen Redakteur bei Haba, bietet uns ein vielseitiges Spielerlebnis im kleinen Format bei Adlung Spiele an. Einerseits ein spannendes kooperatives Kartenspiel, bei dem schon fünfjährige Kinder mit Begeisterung dabei sind. Das Suchspiel ist aber durchaus etwas für die ganze Familie, für klein und groß eine echte Herausforderung. Sogar eine Solitärspielvariante bietet Nikisch an. Wer meinte, kooperative Spiele seien out, wird mit IM MÄRCHWALD vom Gegenteil überzeugt. Wer meinte, dem Memorygedanken ist nicht viel Neues hinzuzufügen, wird ebenfalls eines Besseren belehrt. Gönnen Sie sich und Ihrer Familie diesen preiswerten und unterhaltsamen Ausflug in die Märchenwelt.
Wieland Herold
Titel: IM MÄRCHENWALD
Autor: Markus Nikisch
Grafik. Franz Vohwinkel
Verlag: Adlung-Spiele
Spieler: 1-8
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Spiel 19/2001 R36/2021
Die Rezension erschien 2001 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
der 47jährige Markus Nikisch, der seit 2001 für Haba als Redakteur arbeitet, war immer auch als Autor unterwegs. Seine erste Veröffentlichung war IM MÄRCHENWALD bei Karsten Adlung. Damit landete er gleich einen großen Erfolg, sein Spiel kam 2001 auf die erste Nominierungsliste für das Kinderspiel des Jahres, das KLONDIKE von Haba gewann. Vielleicht war es der Türöffner für seinen Redaktionsjob.
Alle weiteren Erfolge fuhr er ab sofort nur noch für die Firma in Bad Rodach ein, als betreuender Chefredakteur und als Autor. Für SCHLOSS SCHLOTTERSTEIN gewann er 2003 den Deutschen Kinderspielepreis, SCHUSSELHEXE (2011) und POLIZEI-ALARM (2009) waren der Spiele Hit für Kinder in Österreich. Spiele wie SCHATZJAGD und MEMO-
CAR-RACE hat er zusammen mit seiner Frau Katja entwickelt, die vor einigen Jahren die Pressearbeit bei Haba kompetent betreute.
Inzwischen ist Nikisch hauptsächlich als Ideenscout für die Redaktion Spiel und Buch für Haba unterwegs, dabei hat er so tolle Spiele wie TAL DER WIKINGER von Wilfried und Marie Fort in Frankreich entdeckt.
Das Bild zeigt Markus Nikisch auf dem Autorentreffen in Göttingen 2010.
Montag, 15. Februar 2021
LITTLE BATTLE
Die kleine Kartenschlacht von Dorian und Leandro Berthelot hatten wir zu Beginn der Corona-Zeit im März 2020 verliehen und letztes Wochenende zurückbekommen. Ein Sechsjähriger und eine Fünfjährige hatten die letzten Monate viel Spaß damit.
Eigentlich liefert das Autorenteam nichts Neues, eine Kartenschlacht durch verdecktes Ausspielen, um an Schätze zu kommen. Das haben wir alle schon mehrfach gesehen. Trotzdem gelingt es den Berthelots Fünfjährige in eine Abenteueratmosphäre zu versetzen. Als Elternteil sollte man das ruhig ein bisschen zelebrieren und jedem Kind erst einmal ein schönes Schatzsucher-Schiff überreichen. Dann müssen die Kinder-Kapitäne auf Suche nach ihrer Mannschaft gehen. Papageien, Nashörner und Leoparden wandern nicht einfach so in die Kinderhände, ihre Karrten müssen sie fünfmal wandern lassen, bevor das Deck-Team für die Hoppetosse steht. Damit die Kinder nicht einfach nur nach hohen Karten greifen, sollte man ihnen vorher alle zeigen und erklären, dass die 8 beim Leoparden als höchste Karte ebenso viel wert ist wie die 10 bei den Papageien. Außerdem müssen sie wissen, dass die Tiere, die passend zu ihrer Farbe nur bestimmte Schatztruhen suchen auf unterschiedlich viele Zielobjekte stoßen. So gibt es nur vier Truhen für die Leoparden, aber acht für die Papageien. Noch wichtiger ist, dass die zu findenden Schätze sich deutlich unterscheiden. So gibt es mindestens vier Dublonen in jeder Schatzkiste, die die Leoparden öffnen können, aber nur maximal drei in den Kisten für die Papageien, die zweimal sogar in leere Truhen blicken.
Unsere Piratenschiffe sichten Land und nicht nur das, am Strand liegen gestapelt zwei Türme von Schatztruhen, von denen man stets nur die Deckelfarbe sieht. Auf Kommando stürzen die Schatzsucher auf diese Truhen zu und müssen gleichzeitig an einen der beiden Truhenhaufen eine Mannschaftskarte ausspielen. Stimmen Tier- und Truhenfarbe überein und liegt nur eine Karte an dem Stapel, bekommt das entsprechende Kind die Schatzkiste. In allen anderen Fällen kommt es zur „kleinen Schlacht“. Der Stärkste, der mit der höchsten Zahl, gewinnt sie. Unterlegene müssen nicht leer ausgehen, passt die nächste Truhenfarbe ebenfalls, bekommt sie der Verlierer.
Gespielt wird, bis alle 18 Truhen einen Besitzer gefunden haben. Ein weiteres Kartendrafting findet daher immer statt. Am Ende wird überprüft, wer die meisten Dublonen sammeln konnte.
In einer Variante spielen die Anführer der Tiergruppen mit, die jeweils besondere Funktionen besitzen. Sie haben zwar alle nur den Wert „0“, können aber im Gewinnfall mehr einstreichen. So darf der blaue Papageien-Chef nicht nur die blaue Kiste kassieren, sondern auch die darunter, wobei deren Farbe keine Rolle mehr spielt. Der Leopard nimmt die Farbe des letzten Abenteurers an, der die Truhe vorher auf seinem Stapel geöffnet hat. Schließlich verscheucht das rote Nashorn alle Karten mit einem Wert über 3 an seiner Truhe.
Die kleine Loki-Schachtel entpuppt sich als kleiner Spieleschatz. Grafisch ansprechend von Ariel Icandri umgesetzt mit schönen stabilen Papp-Schiffen ausgestattet und einer ansprechenden Idee der beiden Autoren. Sehr schön ist, dass die wachsende Kampfrüstung der kleinen Tiere Kindern auch ohne Kenntnis der Zahlen den Kampfwert vermittelt. Ein kleines Holzschwert des Leoparden hat natürlich keine Chance gegen ein richtiges Schwert
LITTLE BATTLE von Loki ist ein kleines Zockerspiel für Kinder, das mit wenigen Mitteln atmosphärisch stimmungsvoll umgesetzt wurde. Fünfjährige haben ihre erste Begegnung mit dem Draften von Karten. Grundschulkinder lernen ihre Legetaktik schon auf die möglichen Ergebnisse hin auszurichten. Wer nur noch niedrige Karten hat, sollte den Zufallsgewinn blauer Papageien-Kisten nicht verachten und diese durchaus auch an erst einmal falsche Kistenfarben ausspielen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LITTLE BATTLE
Autor: Dorian und Leandro Berthelot
Grafik: Ariel Icandri
Verlag: Loki, Vertrieb: Hutter Trade
Alter: ab 5 Jahre
Spieler: 3-5 Spieler
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 6/2021
Montag, 8. Februar 2021
PIGASUS
PIGASUS
Mit Urtis Šulinskas und Brain Games hat sich eine baltische Kooperation ergeben, die sicherlich nicht zum letzten Mal stattfand. Die Brettspiel-Enthusiasten um Egils Grasmanis gründeten Brain Games in Riga vor 17 Jahren. Damals wollten sie CATAN nach Lettland und in die anderen baltischen Staaten einführen. Inzwischen arbeitet der Verlag nicht nur an der Entwicklung der Brettspielkultur im Baltikum, sondern auch an eigenen Spielen. Am erfolgreichsten war das Team um Grasmanis bisher mit ICECOOL, das 2017 den Preis für das Kinderspiel des Jahres gewann. Eben das ist dem Nachbarn in Litauen, Urtis Šulinskas, im letzten Jahr mit SPEEDY ROLL gelungen, schon ein Jahr zuvor war er mit EMOJITO! nominiert. Damals hat sich wohl auch die Kooperation für die Herausgabe von PIGASUS ergeben.
Šulinskas spielt mit der Idee verschmelzender Tierkörper, das kennen wir aus den MIX-MAX- und KROKOFANT-Spielen. Es geht ihm aber nicht nur um witzige Tierzeichnungen, sondern deren rekonstruktive Zuordnung, der in ihnen steckenden Tiere. PIGASUS wird damit zum Reaktionsspiel, in dem nacheinander 56 der 72 Tierkarten aufgedeckt werden, die es paarweise zuzuordnen gilt.
Eigentlich müssen wir uns nur mit neun Tierarten auseinandersetzen von der Schnecke, zum Krokodil bis zum Elefanten. Das Mischungsprinzip erläutert das Spielecover sehr prägnant. So taucht jedes Tier in den restlichen acht Kombinationen auf, wobei Kopfteil und Farbe dominant bleiben und im Hinterteil die anderen Tierformen auftauchen. So entstehen Krokofant und Krokoschwein. Diese Schmelzbilder sind fantastisch. Der verantwortliche am Verlagsort lebende Grafiker Reinis Petersons ist vor allem als phantasievoller Gestalter von Kinderbüchern bekannt und war schon mehrfach für den Astrid Lindgren Memorial Award nominiert. Für Brain Games hat er bisher ICECOOL und GAME OF TRAINS illustriert.
Nicht nur die Bilder sind Anreiz, sich mit PIGASUS zu beschäftigen. Genial ist auch die Idee, nicht auf eine Alarmglocke á la HALLI GALLI zurückzugreifen, sondern die Tierschmelze in einer Quiekfigur fortzusetzen, die dann letztlich zum Namensgeber wurde, ein geflügeltes Schweinchen, ein PIGASUS eben.
Die Regeln sind simpel. Wer beim Aufdecken der Karten meint, die vertauschten Körperteile zweier passender Paare gefunden zu haben, schnappt sich den PIGASUS und bringt ihn zum Quieken. Stimmt die Zuordnung, darf man das Kartenpaar behalten, ist sie falsch, verliert man Karten nach Anzahl der Beteiligten. Da in Nicht-Coronazeiten bis zu acht Kinder mitspielen können, wären das dann auch acht Strafkarten. Šulinskas strapaziert hier die Frustrationstoleranz der Kleinen ganz schön, Hausregeln sollten die Strafkarten auf ein Pärchen beschränken.
Sind alle Karten aufgedeckt, liegen immer noch maximal 16 Karten ohne Partner aus, weil genau diese Kartenzahl vorher aussortiert wurde. Das macht PIGASUS auch bis zum Ende noch unübersichtlich und spannend. In die schrägen Tierwelten von Reinis Petersons muss man sich einsehen, mit der Zeit fällt die Zuordnung dieser fantasievollen Tiersymbiosen leichter. Ein fantastisches Reaktionsspiel für Kinder und wache Erwachsene.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PIGASUS
Autor: Urtis Šulinskas
Grafik: Reinis Petersons
Verlag: Brain Games
Alter: ab 7 (klappt auch ab 5) Jahre
Spieler: 2-8 Spieler
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 16 Euro
Spiel 5/2021
Sonntag, 7. Februar 2021
JOCKEY
SAMMELSURIUM
Ravensburger Casino-Serie: JOCKEY
Die Casino-Serie war die Antwort der Ravensburger auf den Erfolg der 3M-Spiele aus den USA. Im edlen Buchschuber erschienen zwischen 1971 und 1975 13 Spiele. Verantwortlich war der damalige Redaktionsleiter Erwin Glonnegger, der 1987 in einem kleinen Sonderheft der Zeitschrift „Spielblatt“ seine damaligen Überlegungen darlegte: „Bei der Ausstattung der CASINO-SERIE ging ich seinerzeit Anfang der 70er Jahre unter anderem auch von Erfahrungen mit Büchern aus. Deshalb wurden z.B. die Packungen mit Buchbinderleinen überzogen und mit einer abnehmbaren Titelbanderole aus Papier versehen, ähnlich dem Schutzumschlag eines Buches. Die Packung war ferner so gestaltet, dass sie hochkant in einem Bücherregal aufgestellt werden konnte. Das bedeutete unter anderem auch, dass das Spielmaterial sehr kompakt in der Schachtel untergebracht werden musste.“
In der Reihe veröffentlichten Autoren wie Alex Randolph, der auch 3M mit auf den Weg gebracht hatte, er startete 1971 mit QUARO noch unter dem Pseudonym L.W. Bones, daneben erschienen Klassikerausgaben wie das SCHÖNE ALTE SPIELE, das Ravensburger schon in den 60er Jahren in flacher Schachtel veröffentlicht hat. Auch Max Kobbert kam mit COLOMINO hier zu seiner ersten Veröffentlichung. Am erfolgreichsten waren Lizenzausgaben der Firma Spencer-Murray aus Pennsylvania, die mit dem BÖRSENSPIEL und JOCKEY zum Erfolg in den ersten Jahren beitrugen.
JOCKEY
Das Pferderennspiel gehört zu den edelsten der Reihe. Glonnegger spendierte der Ausgabe Metallpferde und einen gerollten Filzplan für die Rennstrecke. Die Idee der Spencer-Murray-Corp. kombiniert geschickt ein kartengesteuertes Rennspiel mit Wettelementen. Bis zu sechs Akteure können vier Pferde steuern, dazu gibt es bei Spielbeginn zwischen 9 und 15 Rennkarten , die sich teilweise auf bestimmte Pferde beziehen, teilweise auf Positionen und Galoppphasen zwischen sieben und 30 Feldern ermöglichen. Bei einer Karte kann der Vorsprung eines Pferdes, wenn es führt, sogar verdreifacht werden. Auf der Basis der Handkarten werden Wetten vorgenommen, die können auf Sieg, Platz oder Einlauf lauten, wobei die Zweierwette die ersten beiden Pferde in beliebiger Reihenfolge nennt, die Einlaufwette aber die exakte verlangt. Entsprechend sind die Quoten unterschiedlich und reichen vom einfachen bis zum vierfachen Gewinn.
Bilanziert wird alles über eine Geldanzeige im Zentrum des Rennplans. Die Spieler müssen sehen, dass sie aus ihren 1000 DM Startkapital in drei Renndurchgängen das meiste Geld machen.
Der spezielle Reiz und auch die Planungsüberlegungen ergeben sich aus dem Karteneinsatz. Da bis auf die Vollbesetzung zu sechst nie alle Karten im Spiel sind, bleibt der Verlauf unberechenbar. Trotzdem kann man mit guten neutralen Karten immer wieder steuernd auf den Rennverlauf einwirken. Das wollen aber auch die anderen, deren Wetten man nicht kennt. Überschneiden sich Interessen, gewinnt meist dieses Pferd, es gibt dann aber auch leicht verringerte Quoten.
JOCKEY macht auch heute noch Spaß, die Überholmanöver hinten liegender Galopper sind 2021 ebenso reizvoll wie vor fast 50 Jahren. Ravensburger hat JOCKEY nach der Casino-Ära noch eine Schachtelausgabe mit Papp-Plan spendiert, 2001 erschien dann eine letzte Ausgabe von Berliner Spielkarten, die Reinhard Staupe betreut hat. So edel wie in der Casino-Serie ist aber das Pferderennen nie mehr erschienen.
Titel: JOCKEY
Autoren: S. Spencer, F. Murray
Coverfoto: Baumann
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 3 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 6- S6/2021
Mittwoch, 3. Februar 2021
FRANTIC FRANKFURT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
FRANTIC FRANKFURT
Ich bin außer mir, neudeutsch: frantic! Da habe ich das fünfte Spiel der Goslar-Brüder vor mir und ihr Markenzeichen fehlt! Wo sind die Rauten? Vergeblich drehe und wende ich die kleine quadratische Schachtel und finde nur Spielkarten. Auch ihre Autorennamen suche ich vergeblich auf der Schachtel. Günter Burkhardt macht bei den Kronbergern mit FRANTIC FRANKFURT auf sich aufmerksam.
Zur schnellen Einordnung: FRANTIC FRANKFURT gehört in die Kategorie der rasanten Ablegespiele á la LIGRETTO und SPEED. Die Regeln sind denkbar einfach und sorgen trotzdem in der Ablegehektik immer wieder für Durcheinander und Kopfzerbrechen. 132 Karten in drei Farben sind im Spiel, Kartenwerte mit geraden Zahlen von 8 bis 20 und ungeraden Zahlen von 1 bis 13. Die Logik dieser ungleichen Verteilung ergibt sich aus den zwei Regeln für die Kartenablage:
1. Wird eine andere Farbe als die ausliegende gespielt, muss diese höher im Zahlenwert sein.
2. Wird die gleiche Farbe gespielt, darf dies nur mit einer ungeraden Zahl auf eine gerade erfolgen.
Diese einschränkenden Regeln machen eine gewisse Auswahl für die Kartenablage nötig. Jeder Spieler besitzt dazu einen Kartenstapel, den er loswerden möchte. Zehn Karten davon liegen in einem Vierer-, Dreier-, Zweierstapel und einer Karte vor ihm, die oberste jeweils offen. Vier Karten hat man also bei der aktuellen Ablage am Anfang im Blick. Abgelegt wird auf zwei bis vier Kartenstapel, je nach Spieleranzahl. Dazu zieht jeder am Anfang verdeckt eine Karte vom Nachziehstapel. Nachdem alle gleichzeitig ihre Karten umgedreht haben, geht’s los. Wer als erster seine zehn Karten los ist, klopft auf einen der Abwurfstapel, möglichst einen mit wenigen Karten, da die Reststapel unter den übrigen Spielern, nachdem sie auch fix Hand angelegt haben, verteilt werden. Gespielt wird bis ein Spieler nach dem Ende einer solchen Kurzrunde nur noch eine Karte im Nachziehstapel hat. Der hat damit nach zehn bis fünfzehn Minuten eine Partie Frantic Frankfurt gewonnen.
Wer sich dem Stress solcher hektischen Ablegespiele gern stellt, der muss sich FRANTIC FRANKFURT näher anschauen. Nicht weil hier jemand neue Legeregeln „erfunden“ hat, das sind letztlich willkürliche Setzungen, die einmal dieses und dann jenes von den Spielern verlangen, was mehr oder weniger lustvoll nachvollzogen werden kann, sondern weil phantasievolle redaktionelle Arbeit geleistet wurde. Eine Hommage an die Stadt Frankfurt und deren ehemalige und immer noch lebende Bewohner. Hier wird die Spielmechanik durchaus sinnvoll in Beziehung gesetzt zu den Bildmotiven. Die blauen Karten spiegeln das wirtschaftliche und politische Leben der Mainmetropole, die gelben Karten stellen Motive aus der Frankfurter Geschäfts- und Kulturwelt dar, vom Äpelwoi-Schenk bis J.W. v. Frankfurt. Das Rot führt uns letztlich in Frankfurts Nachtleben. Die Gebäudekarten haben die geraden Zahlen, Personenkarten sind in dem Spiel generell ungerade.
Tobias Goslar legt Grafiken vor, die auf Wiedererkennung angelegt sind. Er spielt mit Bildausschnitten und zoomt sich an die Objekte heran. So bekommen wir im Bildschnitt den hälftigen Reich-Ranicki mit demütiger Blickperspektive von unten noch gut mit, wenig später dürfen wir uns erhebend über seine dominierende Glatze freuen. Petra Roth ist in der Detailsicht allein an ihrer Amtskette erkennbar und Joschka mikrofongewaltig in allen Posen seiner jungen Jahre. Klasse Arbeit! Für das Spiel selbst macht diese Einteilung Sinn, so muss man sich bei den hohen Zahlen in Folge von Regel 2 nur noch auf Personen und gleiche Farben konzentrieren.
Leider sind rasante Spiele wie FRANTIC FRANKFURT nicht für jeden Spieler geeignet. Ungefähr gleiche Voraussetzungen in der Auffassungsgabe sollten bei den Beteiligten schon vorhanden sein, sonst kommt schnell Frust auf. Diejenigen, die nun gar kein Auge für neue Kartenkonstellationen auf dem Spieltisch haben, können eventuell bald doch etwas mit FRANTIC FRANKFURT anfangen, denn ursprünglich soll es ein Stichspiel gewesen sein, das der Autor Burkhardt auf dem Spieleautorentreffen 2004 in Göttingen Tobias und Roland Goslar vorgestellt hat. Auf ihrer Homepage kündigen die beiden Verlagsinhaber an, dass dort demnächst die Ausgangsregel für den Prototyp QUICK STOP veröffentlicht wird. Der Einsatz eines grünen Eddings wird allerdings notwendig werden. Für Ästheten ein Gräuel, vielleicht erweist sich diese Maßnahme auch förderlich für den Kauf eines Zweitspiels. Wie BONOBO und CRONBERG, zwei beachtliche Rautenspiele aus dem Verlag, lässt das Spielprinzip unendliche Variationen zu. Ich warte auf FRANTIC FRANKFURT mit einem Kanzler, der an der Leine liegt.
Wieland Herold
Titel: FRANTIC FRANKFURT
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Tobias Goslar
Verlag: Kronberger Spiele (www.kronberger-spiele.de)
Spieler: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 10 €
Spiel 6/2004 R28/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE 1996.
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2004 im Veröffentlichungsjahr des Spiels in Göttingen.
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