Mittwoch, 30. Juni 2021
QUO VADIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
QUO VADIS
UM REIFENBREITE geschlagen musste sich wohl QUO VADIS geben, das dem Hans im Glück Verlag in München gut und gern nach DRUNTER & DRÜBER erneut einen Titel Spiel des Jahres hätte einbringen können, aber irgendwie wollten die Juroren wohl nicht den richtigen Weg einschlagen und entschieden sich für das Sportspiel von Rob Bontenbal.
Es wäre der erste große Titel für den 34jährigen Reiner Knizia geworden, so ist es die erste nennenswerte Auszeichnung. Der Doktor der Mathematik, der in den 80ern Postspiele veröffentlichte, hat bisher durch Spiele wie RES PUBLICA (Hexagames) und GOLDRAUSCH (Hans im Glück) auf sich aufmerksam gemacht.
In QUO VADIS geht der Autor auf Spurensuche für die Ursachen politischen Aufstiegs. Wer nach oben will, braucht Freunde, nicht unbedingt fürs gesamte Leben, aber für entscheidende Lebensabschnitte.
Auf einem ziemlich großen, recht abstrakt gehaltenen Spielplan, gibt es kleine, mittlere und große Gremienfelder, die Wege nach oben in den Senat führen von größeren Gremien, die mehr als ein Feld besitzen über Lorbeerplätze, sodass man sich schon vor den ganz hohen Weihen mit Lorbeeren schmücken kann, das sind Punktechips, die bis zu fünf Siegpunkte einbringen, aber auch den edlen Cäsar zeigen, der für freie Bahn sorgt.
Jeder besitzt acht Senatoren, die in den unteren Gremienbereichen starten. Wer sich in einem Einer-Gremium befindet, darf ohne Beschränkung weiter nach oben ziehen. In einem Dreier-Gremium braucht es die Zustimmung eines anderen Senators, das darf auch ein eigener sein. Entsprechend geht es in den größten, den Fünfer-Gremien zu. Hier müssen zwei weitere Senatoren das Weitergehen erlauben. Genau daraus ergeben sich spannende Verhandlungs- und Versprechungsrunden in QUO VADIS. Wer zustimmt, wird sich nicht nur das Wohlwollen eines Mitspielers erworben haben, sondern erhält auch einen kleinen Einer-Lorbeerkranz.
Wenn Cäsar den Weg nach oben frei hält, bedarf es keiner Zustimmung. Deshalb darf auch alternativ zu den eigenen Figuren der Cäsaren-Chip bewegt werden und zwar im römischen Weitsprung-Verfahren auf ein beliebiges Feld.
QUO VADIS endet, wenn der Senat, das obere Fünfer-Gremium, vollständig besetzt ist. Nur wer mit mindestens einer Figur dort beteiligt ist, besitzt eine Siegchance, dazu braucht es dann die meisten Lorbeer-Punkte.
Reiner Knizia ist mit QUO VADIS nach RES PUBLICA im letzten Jahr ein weiteres hochklassiges Verhandlungsspiel gelungen. Das Glück spielt keine Rolle, da die zu verdienenden Lorbeeren offen ausliegen. Danach wandern sie aber in einen verdeckten Vorrat, sodass nur MEMO-Cracks eine Bilanz-Übersicht behalten, was so gut wie unwahrscheinlich ist. Wäre ich von der Jury gefragt worden, hätte dieses kommunikative Scharmützel im Alten Rom ganz klar mit Nasenlänge vor dem Radrennspiel gelegen.
Titel: QUO VADIS
Autoren: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Hans im Glück
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 40 DM
Spiel 10/1992 R104/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1992 für QUO VADIS, 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte.
2008 erhielt Knizia für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
QUO VADIS war 1992 nicht nur nominiert zum Spiel des Jahres, wie damals alle Spiele auf der Auswahlliste, es erreichte auch den 3. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Das Bild stammt aus dem Jahr 1992 in Essen, links ist QUO VADIS zu sehen, rechts schon die Herbstneuheit Knizias: MODERN ART, mit der er 1993 den Spielepreis gewann.
Mittwoch, 23. Juni 2021
BLUE MOON CITY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auferstanden aus Ruinen: BLUE MOON CITY
Meistens folgen erfolgreichen Brettspielen Kartenspielableger, der Verlag Kosmos hat es mit seinem modernen Klassiker SIEDLER VON CATAN exemplarisch vorgeführt. In diesem Jahr geht der Stuttgarter Verlag den umgekehrten Weg. Die Fantasy-Kartenwelt BLUE MOON hat schon vor zwei Jahren eine begeisterte Fangemeinde gefunden. 2006 führt ein spannendes Brettspiel von Reiner Knizia zwei bis vier Spieler nach BLUE MOON CITY.
Die Krisenzeiten aus dem komplexen Kartenspiel sind vorüber, die einst prachtvolle Stadt BLUE MON CITY soll aus den Ruinen zu neuer Größe auferstehen. Die Spieler arbeiten zwar gemeinsam am Wiederaufbau der Stadt, allerdings kämpfen sie gegeneinander um begehrte Kristallstücke, die es für den Bau von Gebäuden gibt, denn jeder möchte in der Gunst des Gottes Blue Moon höher stehen als die anderen, um am Ende die meisten Kristallstücke an einem Obelisken zu opfern. Dieser Wettlauf um die meisten Kristalle ist äußerst spannend umgesetzt. Insbesondere die geschickt vernetzte Steuerung über vielschichtig einsetzbare Spielkarten und hilfreiche Drachen ist dem Autor sehr gut gelungen.
Reiner Knizia hat die Fantasywelt seines Kartenspiels BLUE MOON perfekt in ein schnell zugängliches einstündiges Brettspiel umgewandelt. BLUE MOON CITY fasziniert durch eine ausgesprochen gelungene grafische Umsetzung und tolles Spielmaterial, das das Fantasythema hervorragend unterstreicht. Der renommierte Autor, dem wir so fantastische Spiele wie EUPHRAT UND TIGRIS, MODERN ART und EINFACH GENIAL verdanken, ist schon oft knapp am Hauptpreis „Spiel des Jahres“ vorbeigeschliddert. Mit BLUE MOON CITY hat er gute Chancen, in diesem Jahr die lang verdiente Hauptwürdigung zu erfahren. Sein Spiel hat alle Qualitäten, nicht nur jugendliche Fantasyspieler zu erfreuen, sondern auch jüngere Kinder ab zehn Jahren und ihre Eltern.
BLUE MOON CITY
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: KOSMOS
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 6/2006 R99/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte. Mit der in der Rezension angedeuteten Chance für den Hauptpreis 2006, wurde es nichts. THURN UND TAXIS hatte die Nase vorn. Auch beim Deutschen Spielepreis reichte es nur für den vierten Platz, da gewann CAYLUS vor THURN UND TAXIS und ANTIKE.
2008 erhielt Knizia dann endlich für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2016 als Reiner Knizia mit MMM! für das Kinderspiel des Jahres nominiert war.
Dienstag, 22. Juni 2021
BIG KINI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schnelles Ende: BIG KINI
Mit dem pazifischen Atom-Atoll hat das erste Spiel des Spieleversenders Playme nicht nur den Buchstaben „g“ nicht gemeinsam, BIG KINI ist zwar auch eine Insellandschaft im Nirgendwo, aber noch unverseucht, das Richtige für Aussteiger, wenn nicht dieser ewige Konkurrenzkampf wäre.
Zwei bis vier Spieler – mit einer Erweiterung auch sechs – tummeln sich in der anfangs noch fast unerschlossenen Inselwelt von BIG KINI. Sechseckige Inselplättchen werden verdeckt ausgelegt, abhängig von der Spielerzahl. Heimatatolle werden ausgesucht und auf bestimmten Plätzen offen platziert. Die Inselwelten bestehen immer aus drei Inseln, die mit Aktionen in den folgenden Spielrunden korrespondieren. Da gibt es stets eine Hafeninsel, von der aus neue Inseln besiedelt werden können, dann können Inseln mit geldbringenden Tabakfabriken im Atoll sein, außerdem muss etwas für die Vermehrung der Insulaner getan werden, dafür ist eine lauschige Siedlungsinsel vorhanden und schließlich gibt es Inseln, auf denen drei unterschiedliche Waren ins Spiel kommen. Überall dort, wo Menschen zusammen kommen, gibt es Posten zu vergeben. Das lassen sich auch gesellschaftliche Aussteiger nicht nehmen, so besitzen Inseln im Atoll Verwalter, Riff-Minister sind schon für zwei Inseln zuständig, schließlich darf der Baron alle Möglichkeiten seines Atolls nutzen.
Jeder Spieler markiert mit kleinen Holzsteinen schon einmal zwei Pöstchen auf seiner Insel, der Bucht-Baron darf es aber noch nicht sein. Gesteuert wird das Spiel über ein Aktions-Tableau, das gleichzeitig als Rundenanzeiger dient. Reihum legen die Spieler ihre beiden Aktionsmarker auf dem Tableau ab. Agiert wird sofort, zur Auswahl stehen sechs verschiedene Aktionen. Besitzt ein Spieler durch Verwalter, Minister oder Baron Einfluss auf eine Siedlung, kann er durch die Aktion Vermehrung neue Steine ins Spiel bringen. Mittels der Aktion Bewegung können Spielsteine innerhalb des Atolls kostenfrei gezogen werden, kostenpflichtig ist das Insel-Hopping je nach Weite, gesteuert durch die Reichweite der Häfen. Wer Geld benötigt, kassiert in einer seiner Tabakfabriken. Da am Anfang das Amt des Barons nicht vergeben wurde, kann man über eine Wahl-Aktion an diesen Posten gelangen. Nur ein Verwalter oder Minister kommt für die höhere Aufgabe in Frage und es müssen schon mindestens zwei Bewohner auf der Insel sein. Vor der Wahl darf verhandelt werden, dabei sind alle Mittel Recht, Waren, Geld oder Versprechungen dürfen eingesetzt werden. Gibt es schon einen Baron in dem Atoll, hat der stets zwei Stimmen, alle anderen sind stimmenmäßig einfache Insulaner. Da jedem Baron eine bestimmte Warensorte zugeordnet ist, dürfen auch diese zur Abstimmung eingesetzt werden. Der Sieger der Abstimmung kommt auf das Feld des Bucht-Barons, falls es einen abgewählten Baron gibt, muss der sich ein freies Plätzchen auf der Insel suchen. Die Waren sind nicht nur bei der Wahl von Bedeutung, sie bringen auch in Dreierkombination am Ende Siegpunkte. Über die Aktion Ware nehmen kommen die Spieler an die Waren heran. Da am Anfang jeder nur seine Ausgangsinsel hat, gilt es natürlich, die unbekannten Inselwelten zu entdecken. Insofern ist die Aktion Entdeckung von besonderer Bedeutung, zumal es stets zwei Siegpunkte gibt. Das Entdecken kostet allerdings 5 Bay Barons, die gültige Währung in BIG KINI. Mit einer 7er oder 6er Tabakfabrik sind diese Kosten locker zu tragen. Auf dem Aktions-Tableau ist noch zu beachten, dass das erste Feld jeweils eine Doppelaktion ermöglicht, das zweite die gleiche Aktion nur einfach und das dritte ebenfalls eine einfache Aktion, allerdings kostenpflichtig. Haben alle Spieler zweimal ihre Aktionssteine platziert, ist eine Runde beendet. Der Startspieler wechselt und der Rundenzeiger wandert ein Feld weiter. Das geschieht maximal zwölf Mal, kann aber auch schon vorher beendet sein, dann nämlich, wenn alle Inseln entdeckt sind.
Gewonnen hat der Spieler, der die meisten Siegpunkte hat. Zu den schon vorher eingesammelten Entdeckungspunkten bringen Bucht-Barone am Ende immerhin 5 Siegpunkte, Minister zwei Punkte und Verwalter einen Siegpunkt. Für drei verschiedene Waren gibt es drei Punkte, auch Geld zahlt sich am Ende aus, es müssen aber schon 8 Ray Barons sein, die mit einem Punkt verrechnet werden. Das Ende tritt erstaunlich schnell bei BIG KINI ein, für viele Spieler fast zu schnell. Eine Entdeckungsrunde ist meist schon nach knapp einer Stunde vorüber.
BIG KINI gesellt sich zu den vielen Mehrheitenspielen der letzten Jahre. Das Thema ist zwar aufgesetzt, an den Haaren herbeigezogen, die Grafik versucht eher krampfhaft Witz ins Spiel zu bringen, aber sonst ist vieles stimmig. Guido Eckhof erweist sich als profunder Kenner der Materie, die Macher von PlayMe zeigen sich als solide Handwerker. Das Spielmaterial ist ansprechend, die vierseitige Spielregel vermittelt einen ordentlichen Einstieg. Das Spiel selbst bietet vielfältige Optionen, Entscheidungszwänge, in Ansätzen auch kommunikatives Miteinander. Die unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten sind gut vernetzt, die Beschränkung auf zwei Aktivitäten bringt den reizvollen Mangel, den Druck ins Spiel. Brauche ich neue Leute oder doch Geld? Lohnen sich die Waren überhaupt? Schaffe ich noch eine Entdeckung? Denn Entdecken zählt, schafft neue Arbeitsplätze und bringt Punkte. Genau hier hakt das Spiel aber auch, es endet ja nicht einfach nach der 12. Runde, sondern dann, wenn alle Inseln aufgedeckt sind. Und das kann ganz schnell der Fall sein. Theoretisch kann ein Spiel zu viert schon nach der dritten Runde beendet sein, praktisch habe ich die meisten Partien erlebt, die gerade einmal auf die doppelte manchmal auch dreifache Rundenzahl gekommen sind. So kann sich das Spiel natürlich nicht entfalten, ein großer Kampf um die Positionen der Inselbosse findet nicht statt, das Potential des Spiels wird nicht spürbar.
Das regeln wir schon, sagen die Experten von PlayMe und bieten im Internet Verbesserungen an: Sinnvoll sind natürlich 12 Pflichtrunden, die dann wirklich Interaktion ins Spiel bringen, sinnvoll erscheint auch die Verteuerung der Entdeckungsphase. Bei Kosten von 7 Ray Barons kann man nicht ohne Geldeinnahmen schon in der ersten Runde die Inselwelt erweitern. Auf seiner Homepage bietet der Verlag auch eine Solovariante an und Hinweise für das Spiel mit Aktionskarten, die in einem Erweiterungsset für 5 und 6 Spieler enthalten sind. Spieler, die nur den Basiskasten besitzen und sich auch sonst nicht um Hinweise kümmern – solche gibt es noch eine ganze Menge – werden enttäuscht sein. Mit der 12-Rundenregel, eventuell auch den höheren Entdeckungskosten wird BIG KINI zu einem guten Spiel, das ich immer wieder gern hervorhole.
Titel: BIG KINI
Autor: Guido Eckhof
Grafik: Bert Elter
Verlag: Verlag Edition PlayMe
Spieler: 1 bis 4 (6) Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 60 Minuten
Preis: 30 Euro
Spiel 5/2006 R98/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
(Note 7 (gilt nur für Regeländerung), Note 5 ursprüngliche Fassung)
Zum Spiel und zum Autor:
Die bisherigen Veröffentlichungen Guido Eckhofs drehen sich um BIG KINI. Neben dem 2005 erschienenen Spiel ist bisher nur eine FLASCHENPOST-Erweiterung 2009 herausgekommen.
2018 zeigte Eckhof wieder Spiele auf dem Autorentreffen in Göttingen (siehe Foto). Mit Arve Fühler, der ihn als seinen Mentor bezeichnet, hat er 2019 den Prototypen STAR RACE 2520 entwickelt, ein kartengesteuertes Workerplacementspiel. Auch in der Dankesliste der Tester für Fühlers EL GAUCHO taucht Eckhof auf.
Es ist daher durchaus zu erwarten, dass Guido Eckhof demnächst weitere Publikationen vorweisen kann. Der Spieleversender PlayMe hat BIG KINI übrigens immer noch im Programm.
Montag, 21. Juni 2021
BEETLEZ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wehe, wenn Ringo kommt! BEETLEZ
Die thematische Einbindung ist bestenfalls etwas für die Eltern, das neue Spiel des Italieners Eligio Cazzato ist allerdings etwas für die ganze Familie. BEETLEZ (dV Giochi), kleine Liverpooler Keller-Käfer, naschen nur gar zu gern an den Speisen von John, Paul, George und Ringo. In Probenpausen machen sie sich über alles her, was die Kühlschränke so hergeben, das reicht vom Salat über Pommes bis zur Schokolade. Sieben verschiedene Speisen sind dreizehn Mal im Vorrat. Schwierig wird es für das gefräßige Käfervolk immer dann, wenn Ringo noch einmal an den Kühlschrank möchte. Wenn er das Licht anknipst, dann müssen alle das Heil in der Flucht suchen. Wer kein Versteck mehr findet, wird gepackt – und Ringo ist schnell, er erwischt immer einen Käfer.
Verlassen wir die Spielgeschichte, kommen wir zum Spiel. Cazzato setzt seine Idee in einem fetzigen Merkspiel um. Die 91 Speisen sind quadratische Papp-Plättchen, die alle eine einheitliche grüne Kühlschrankvorderseite besitzen. Hinter einer solchen Kühlschranktür verbergen sich zusätzlich noch vier Licht-Plättchen und Verstecke, wobei, wie in der Reise nach Jerusalem, immer ein Versteck weniger als Spieler im Spiel ist. BEETLEZ wird von allen Beteiligten gleichzeitig gespielt. Jeder der drei bis sechs Spieler ab 5 Jahren hat eine Speisekarte vor sich liegen, auf die am Anfang ein kurzer Blick geworfen werden darf. Die Karten enthalten drei Lieblingsspeisen und ein Essen, das absolut verpönt ist. Im Spiel muss versucht werden, so viel wie möglich punkteträchtige Lieblingsspeisen zu sammeln und möglichst nicht das „mag-ich-nicht“-Essen aufzunehmen. Dazu werden die Plättchen mit einer Hand umgedreht, gesammelt oder zurückgelegt. Wenn ein Spieler dabei eines der vier Licht-Plättchen aufdeckt, suchen alle nicht mehr nach Speisen, sondern so schnell wie möglich ein Versteck. Einer schafft es nicht und bekommt dafür eine Strafkarte „Erwischt“. So geht das, bis drei Licht-Kärtchen aus dem Spiel sind, dann werden nach der jeweiligen Menue-Karte Plus- und Minuspunkte verteilt, zusätzlich gibt es Strafpunkte für die „Erwischt“-Karten und für den Spieler, der am meisten gefuttert hat, die Licht-Kärtchen bringen noch zwei Pluspunkte. Es gewinnt natürlich der Spieler, der nach recht schnellen zehn bis fünfzehn Minuten Sammelhektik die meisten Punkte ergattern konnte.
BEETLEZ erinnert etwas an Uli Geißlers 2003 erschienenes DER KRÄHENSCHATZ, es reicht natürlich überhaupt nicht an das tolle Spielmaterial der Werksiedlung Kandern heran, Papp-Plättchen können gegen tolle Holzkegel wahrlich nicht bestehen. Das italienische Spiel besitzt aber den Vorteil der unterschiedlichen Sammelphasen, einmal das Futter, dann das Versteck, diese Reihung bringt zusätzliche Dynamik ins Spiel. Die Spielregel ist klar, das Spielmaterial geht in dieser Preisklasse in Ordnung, die Grafik ist nicht berauschend aber zweckdienlich. Was bleibt, ist der Spielspaß und den liefert Cazzatos Spiel allemal.
Titel: BEETLEZ
Autor: Eligio Cazzato
Grafik: Gianpaolo Derossi
Verlag: dv Giochi / Abacus
Spieler: 3 bis 6
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 4/2006 R97/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der Italiener Eligio Cazzato hat ab 2004 einige Spiele veröffentlicht. TOY TRAIN und TAXI DRIVER waren Eigenprodukte. Das letzte Spiel übernahm dann dv Giochi. 2005 veröffentlichte dieser Verlag dann BEETLEZ und FREDERICUS. 2011 erschien mit DIECI das bisher letzte Spiel CAZZATOS.
BEETLEZ war seine erfolgreichste Idee, sie landete 2006 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury.
Samstag, 19. Juni 2021
FABELWELTEN
Allez les bleus: FABELWELTEN
Was für ein Erfolg, gleich zwei Spiele des französischen Autorenpärchens Marie und Wilfried Fort landeten auf der Nominierungsliste für das Kinderspiel des Jahres. DRAGOMINO hatte am Ende die Nase vorn. Was für ein Erfolg aber auch für den russischen Verlag Lifestyle Boardgames, nach SPEEDY ROLL (2020), waren sie erneut mit FABELWELTEN der beiden Forts nominiert. Haba tauchte zum letzten Mal 2019 auf dieser Liste auf, dann allerdings gleich mit dem Siegerspiel. Und wer hatte TAL DER WIKINGER erfunden? Nun klar, da sind wir schon wieder bei Wilfried und Marie Fort, die die blaue Szene zurzeit eindeutig dominieren.
FABELWELTEN hatte zwar letztlich das Nachsehen gegenüber DRAGOMINO, aber diese wunderbare Verbindung von Buch und Spiel landete zurecht neben MIA LONDON noch mit auf der Liste der nominierten Spiele.
Zehn Geschichten stecken in dem Spiel, die von spannenden Abenteuern erzählen, verschiedene Wege aufzeigen und ganz eigene Hauptcharaktere entstehen lassen. Die Rolle der Kinder ist die der Buchgestalter. Ein Erwachsener liest die Geschichte vor, in der zum Beispiel ein „zerlumpter Einsiedler“ auftaucht. Wer könnte das sein? Die Antwort liefert den Kindern das eigene Einfühlungsvermögen und 86 Tierkarten. Jeder besitzt immer fünf davon und Dur sucht nun seine Handkarten nach einem Tier, das in die Geschichte passen könnte. Ist es der zottelige Schafsbock oder das einsam in der Wüste stehende Dromedar, ist es der furchtsame Waschbär oder das im Schneckentempo kriechende Faultier?
Wer in der Geschichte landet, entscheiden die Kinder. Die Karten werden gemischt, an eine Punktelaufbahn angelegt und Abstimmungschips regeln die Entscheidung. Wer gewählt wird, bekommt Punkte, außerdem werden die belohnt, die sich mehrheitlich für das ausgewählte Tier entschieden haben. Das Schöne daran, Geschichtenkarte und ausgewählter Tiercharakter landen dann auf Steckplätzen in einer Art Bilderbuch, sodass das Spiel abends gut zur Gutenachtgeschichte taugt.
Wer möchte, kann FABELWELTEN auch kooperativ angehen. Da stehen verdeckt gezogene Karten in Konkurrenz zu selbst gewählten. Die Kinder versuchen, einen eindeutigen Sieger zu bestimmen, gelingt ihnen das, bekommen sie einen Punkt. Klappt es nicht, wandert der fiktive Gegner ein Feld voran.
FABELWELTEN sorgt für einfühlsame Entscheidungen, wenn Kinder auf die Suche nach einer „bescheidenen Flussbewohnerin“ oder einem „verträumten Schüler“ gehen. Punkte treten in den Hintergrund bei dieser kreativen Gestaltung von Geschichten. Ein wunderbares Spiel, das zudem ganz fabelhaft von dem russischen Verlag gestaltet wurde.
Die Geschichten stammen übrigens nicht alle von Marie und Wilfried Fort, das russische Team hat auch fleißig mitgeschrieben. Die Spielregel nennt fünf weitere Autorinnen. Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann sind es die etwas fummelig zu bedienenden Einsteckfolien für die Karten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FABELWELTEN
Autoren: Marie & Wilfried Fort
Grafik/Design: Eugene Smolenceva, Irina Pechenkina
Verlag: Lifestyle Boardgames / Asmodee
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 48/2021
Freitag, 18. Juni 2021
AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Was früher die Ravensburger DEUTSCHLANDREISE war, wird in Zukunft AUSGERECHNET BUXTEHUDE sein. Ein geographisches Lernspiel, ein unterhaltsames Familienspiel, ein Kartenlegespiel á la ANNO DOMINI.
Bernhard Lach und Uwe Rapp haben dem Verlag HUCH! ein kleines, pfiffiges geographisches Einordnungsspiel angeboten und die Huch-Redaktion hat eine Spieleperle daraus gemacht. Aus 200 Ortskarten, 36 Holzchips, einer Richtungskarte, die uns den Weg nach Norden und Osten weist, und zwei Intermezzokarten wird ein halbstündiges Spielvergnügen.
Zwei bis sechs Spieler versuchen eine Kartenauswahl von 45 Karten mit deutschen Orten und Sehenswürdigkeiten einzunorden. Das Startkapital sind vier blaue Holzchips und los geht’s. Die erste Karte vom Stapel wird aufgedeckt und legt die Ausgangsbedingungen für die erste Spielphase fest. Da kommt zum Beispiel Hoyerswerda auf die Richtungskarte. Der Startspieler hat sich daran zu orientieren. Liegt sein Karte Halberstadt nun nördlicher, südlicher, westlicher oder gar östlicher von Hoyerswerda? In der vertikalen oder horizontalen Zuordnung muss die Einordnung stimmen. Wenn er sich für die westlichere Lage entscheidet, kann er nicht viel falsch machen, legt er die Karte nach Süden oder nach Norden könnten die Mitspieler schon ins Grübeln kommen, falls er sich gar für eine östlichere Lage entscheidet, ist es gut möglich, dass ein Mitspieler Veto einlegt. Das kann nach jeder abgelegten Karte geschehen, dann muss überprüft werden, ob die Platzierung der Karte zu Recht oder zu Unrecht angezweifelt wurde. Der Gewinner wird mit einem Holzchip des Gegenspielers belohnt. Nach der 15. Karte folgt eine Zwischenwertung, bei der alle Spieler gefordert sind. Alle dürfen schätzen, wie viele Karten in der Auslage zu diesem Zeitpunkt falsch liegen. Für einen richtigen Tipp gibt es zwei Holzchips aus dem Vorrat. Danach startet die zweite Runde wie die erste und das Ganze wiederholt sich dann noch einmal für die letzten 15 Karten.
AUSGERECHNET BUXTEHUDE lebt wie das ähnlich funktionierende Geschichtsspiel ANNO DOMINI vom Nichtwissen, von der Vermutung, von den immer wieder überraschenden Ergebnissen, von Gesprächsanlässen, von Erinnerungen, vom Spielspaß pur. Klar, wer sich gut auskennt, hat die Nase oft vorn, aber im deutschen Osten kennen nicht mal die Freaks sich aus – oder wissen Sie, wo genau Finsterwalde liegt?
Titel: AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Autoren: Bernhard Lach, Uwe Rapp
Grafik: Volker Maas
Verlag: HUCH!
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 3/2006 R96/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Mit FROSCHKÖNIG (Zoch 2003) und AUSGERECHNET BUXTEHUDE starteten Uwe Rapp und Bernhard Lach ihre erfolgreiche Autorenkarriere. Beide Spiele landeten 2004 und 2006 auf der Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres . AUSGERECHNET BUXTEHUDE gewann zusätzlich den ersten Platz beim á la Carte der Fairplay.
Inzwischen haben die beiden Autoren fast 50 Spieleveröffentlichungen vorzuweisen. Sie kennen sich aus dem Schachverein Marbach, mit dem sie es immerhin mehrere Jahre in die zweite Bundesliga gebracht haben. Uwe Rapp (Jg. 1949) war Dozent am Deutschkolleg in Stuttgart. Der Jurist Lach arbeitet beim Rechtsamt der Stadt Heilbronn. Beide leben mit ihren Familien in Erdmannhausen bei Ludwigsburg.
Mit QUINTO (NSV 2015) kamen sie zum dritten Mal zu einem Platz auf der Empfehlungsliste der Jury.
Das Bild zeigt beide Autoren 2005 im Jahr der Veröffentlichung des Spiels auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 16. Juni 2021
WIE ICH DIE WELT SEHE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WIE ICH DIE WELT SEHE
Einsteins Antwort auf diese Frage sah 1930 u.a. so aus: „Der wahre Wert eines Menschen ist in erste Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ich gelangt ist.“ Urs Hostettlers spielerische Antworten ergeben im Jahre 2004 eine weniger philosophisch geprägte, dafür unheimlich unterhaltsame Einsicht in die heutige Welt. Die Spieler des Kommunikationsspiels WIE ICH DIE WELT SEHE, mindestens vier, neun (!) sind aber auch möglich, bezeichnet der Schweizer Spielautor als „Idewedwes“, im Singular ist das ein Individuum, das erläutert, wie es die Welt sieht.
Keine Angst, Ihre Philosophiekenntnisse kommen nicht auf den Prüfstand, die weltbewegenden Fragen (leider nur 112) sind profan, erotisch, politisch und hostettlerisch. Ein Beispiel gefällig: „Die Schilder „Käkkivaara nuotsin“ in finnischen Wäldern weisen auf ES hin“. Dieses „Es“ gilt es mit Sinn zu füllen und zwar nicht aus dem hohlen Bauch heraus mit Antworten wie „Froschwanderung“ oder „Elchbrunft“, sondern aus dem Reservoir von 12 „Es-Kärtchen“, die jeder aus einem Vorrat von knapp 400 Kärtchen erhält. Das „Idewedwes“ muss bald viele „Es“-Erklärungen miteinander vergleichen und zwar nicht nur die seiner Mitspieler, sondern ein blind gezogenes „Es“ vom Kartenstapel ist auch dabei. Da sieht sich das erläuternde Individuum mit Antworten wie „frei schwebende Jungfrauen“, „Kopftücher“, „undefinierbare Grunzlaute“, „Hexen“ und „Maulwürfe“ konfrontiert. Die Entscheidung für ein „Es“ trifft allein das „Idewedwes“, dabei sollte es sich schon von rationalen, manchmal auch kreativen Überlegungen leiten lassen, denn die Wahl des zufällig gezogenen Stapelkärtchens wird knallhart bestraft. Eine Gewinnkarte, die man erhält, wenn man vom „Idewedwes“ auserwählt wird, muss abgegeben werden und man wird zum „Tafkai“ degradiert, „the artist formerly known as Idewedwes“. Diese Rolle gibt man erst ab, wenn eine Mitspielerlösung bei der „Welterklärung“ gewählt wird und damit Punkte vergeben werden. Die „Es“-Kärtchen werden stets wieder auf 12 ergänzt.
Gespielt wird auf vier bis sieben Gewinnpunkte, aber daran denkt bald niemand mehr. Der Spaß an den Lösungen führt meist zu viel Gelächter. So passen die „Es“-Kärtchen zu vielen scheinbar tiefschürfenden „Meine Welt“-Karten. Die Antworten oben könnten wir uns doch auch gut für folgende Ausgangskarten vorstellen: „Im Innern einer Kathedrale kommt ES besonders zur Geltung“ oder „Was nur seine engsten Freunde wissen: der deutsche Bundeskanzler steht auf ES“.
Für geübte Welterklärer gibt es Doppelwelten, Aussagen mit zwei Leerstellen, die entsprechend mit zwei Kärtchen gefüllt werden müssen. Die Spielregel enthält außerdem noch Varianten für zwei oder drei Spieler, bei denen vor allem die Zahl der zufällig gezogenen Lösungskarten vom Stapel erhöht wird. Das funktioniert zwar, aber den eigentlichen Spaß haben große Spielrunden. Urs Hostettler ist Garant für kommunikative Leckerbissen. Der herrliche Partyspaß WIE ICH DIE WELT SEHE steht in der erfolgreichen Tradition von EIN SOLCHES DING, SCHRAUMELN und ANNO DOMINI. Es ist zu hoffen, dass ganz im Stil der ANNO DOMINI- Reihe noch viele Welterklärungsansätze aus der Schweiz zu erwarten sind. Mit den gut hundert Karten der Erstfassung ist das Spiel noch lange nicht ausgereizt. Mitgeliefert wird dann sicherlich wieder die „Helpline“ im Regelanhang: ein ganz besonders amüsanter Einblick in die Weltsicht des Autors. So erfahren wir über den „sardischen Pfeifhasen, dass er bei Gefahr wie ein Murmeltier pfiff, aber offenbar zu wenig laut. Ausgestorben.“ Ich wage die Prognose, dass WIE ICH DIE WELT SEHE nicht so schnell aussterben wird, die meisten Neuheiten des Jahres wird es lange überleben.
Titel: WIE ICH DIE WELT SEHE
Autor: Urs Hostettler
Grafik: Res Brandenburger
Verlag: Abacus
Spieler: 2-9
Alter: ab 10 Jahren (einige Karten, sollten dann aber aussortiert werden)
Spieldauer: >30 Minuten
Preis: ca. 12 €
Spiel 24/2004 R94/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berner Autor und Liedermacher Urs Hostettler gründete 1982 mit dem Verlag Fata Morgana einen eigenen Spieleverlag und eine Vertriebsfirma für Spiele und Liedermacher-Platten. 1985 kam der renommierte Laden das „DracheNäscht“ dazu, ein Verkaufsladen für Spiele und Drachen in der Berner Altstadt, der immer noch existiert. Den Trend zu Krimispielen hat er mit seinen MYSTERIE WEEKENDS schon lange vorweggenommen. Seit 1993 unterhält er mit Stücken wie MORSOC und GENIE UND WAHNSINN.
Mit KREML, EIN SOLCHES DING, SCHRAUMELN und WIE ICH DIE WELT SEHE landeten Spielentwicklungen Hostettlers auf der Auswahl- und Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres. Auch das geniale TICHU und die ANNO DOMINI-Reihe stammt von ihm. Die meisten seiner Spiele hat Abacus in Deutschland herausgebracht.
Samstag, 12. Juni 2021
SPACE DRAGONS
Die Crew reist zu den SPACE DRAGONS
Vor ziemlich genau drei Jahren durfte Richi Haarhoff in Göttingen den Preis für das damalige Jury-Stipendium für den besten Nachwuchsautor in Empfang nehmen. Eine gute Wahl, wie sich inzwischen gezeigt hat. Mit MEMORINTH konnte Haarhoff schon 2020 überzeugen und aktuell landet Richi einen Volltreffer mit SPACE DRAGONS. Beide Spiele sind bei der Edition Spielwiese erschienen. Michael Schmitt beweist durchweg ein gutes Händchen bei der Spieleauswahl, das ihm 2021 wahrscheinlich sogar für MICROMACRO - CRIME CITY das Spiel des Jahres bringen wird.
Für Listenerwähnungen oder noch höhere Auszeichnungen kam SPACE DRAGONS leider zu spät. Es ist erst wenige Wochen auf dem Markt und muss hoffen, dass es neben den vielen kommenden Neuheiten nicht in Vergessenheit gerät. Die Spiele, die zwischen Mai und August herauskommen, haben es immer etwas schwerer, auf Jurylisten zu gelangen.
Dabei ist Haarhoffs Spiel ein genialer Wurf, der dem Stichspiel wieder einmal eine neue Seite abgewinnt. Thematisch bewegen wir uns auf CREW-Ebene im Weltraum, sind allerdings kompetitiv und draftend unterwegs. In der Galaxie der SPACE DRAGONS warten wertvolle Drachen auf uns, um die es sich zu kämpfen lohnt. Und kämpfen muss man ständig, nicht nur gegen die Kartenwerte der Gegenspieler, sondern auch mit ihren Raumschiffen, in deren Fadenkreuz die Drachensieger immer wieder auftauchen. Da braucht es Abwehrschilde und Bordwerkzeug, um angerichtete Schäden zu reparieren. Schließlich kämpfen wir nicht nur, sondern arbeiten für die Forschung und versuchen die Laune unserer Crew-Mitglieder hoch- und die Kriminalitätsrate an Bord niedrigzuhalten.
All diese Aspekte stecken in Haarhoffs 80 Crew-Karten. Da haben wir Crew-Werte von 1-80, da sind teilweise ergänzend positive oder negative Wertungspunkte auf den Karten zu finden und Symbole für Wissenschaft, Stimmung und Kriminalität. Zusätzliche Ausspieleffekte bringen Verteidigungsschilde, Fadenkreuze, Werkzeuge, aber auch Schäden. Neben den 80 Grundkarten sind 20 Drachen der Galaxie im Spiel, die besitzen Punktwerte zwischen 8 und 12 Punkten und teilweise auch die oben angesprochenen Symbole. Sieben davon werden zufällig für eine Expedition ausgesucht. Drei doppelseitige Wertungskarten geben vor, wer für Wissenschaft & Co. Punkte oder keine Minuswertungen erhält. Manchmal muss man die meisten Symbole haben, manchmal auch am wenigsten.
Am Anfang bekommt jeder neun Crew-Karten, die im Draftingverfahren verteilt werden. Dadurch erhalten alle einen guten Überblick über Kartenwerte und Symbolhäufungen, sodass schon die Draftphase von Bedeutung für das kommende Spiel ist.
In den sieben Spielrunden wird jeweils ein Drache aufgedeckt, um den eine Art Stichspiel stattfindet. Die höchste Karte gewinnt, alle gespielten Fadenkreuze richten sich aber dann auf den Sieger. Das kann zum teuren Spaß werden, denn die Drachen sind durchschnittlich zehn Punkte wert, allein zwei gegnerische Fadenkreuze bringen Schäden von jeweils fünf Punkten. Wer genügend Schildverteidigung aufgebaut hat, braucht die Angriffe nicht zu fürchten, es reicht auch, noch ausreichend Werkzeug in petto zu haben. Werkzeuge bekommt man allerdings meist nur für einstellige Zahlenwerte, mit denen sich kaum Drachen gewinnen lassen. Zusätzlich hat man dann ja auch noch die ganzen Wertungen im Hinterkopf, für die es gilt, ebenfalls wertvolle Punkte zu sammeln. Der Zwänge sind viel, zum Glück muss man nicht alle Karten ausspielen, sondern behält zwei zurück. Damit das alles korrekt abgerechnet werden kann, werden die Karten der Stichrunden nicht danach eingesammelt, sondern bleiben vor den Spielern liegen. Fast jede durch Drafting erworbene Karte verbessert damit die eigene Bilanz für die Punktberechnung.
Nach dem siebten Drachen ist Schluss und es muss einiges addiert oder subtrahiert werden. Dazu fehlt mir allerdings ein kleiner Auswertungsblock, der schon ganz hilfreich an dieser Stelle wäre.
SPACE DRAGONS ist kein kooperatives Knobeln an einer Stichaufgabe, dafür aber eine fetzige Weltraumschlacht, in der die Kartenauswahl eine ganz entscheidende Bedeutung erhält. Da ist eben nicht nur der Drachenkampf um Mehrheiten, sondern da kommen die Raumschiffkämpfe und die Punktesammlungen hinzu. Multifunktionale Karten und eine klare Ikonographie bieten einfache Lösungen für die Schlachtbilanzen. Das ist alles graphisch stimmig umgesetzt, Florian Biege zeigt nun nicht mehr nur bei den Drei Hasen in der Abendsonne, dass er sein Handwerk versteht. Der Münsteraner ist bekannt durch seine Kooperation mit Walter Moers. Seine Comicfassung von „Die Stadt der träumenden Bücher“ ist erste Sahne.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SPACE DRAGONS
Autor*in: Richi Haarhoff
Grafik/Design: Florian Biege
Verlag: Edition Spielwiese / Pegasus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 47/2021
Richi Haarhoff bei seiner Auszeichnung 2018, vor ihm der Prototyp von SPACE DRAGONS.
Freitag, 11. Juni 2021
CONFUSION
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CONFUSION
Dem Spieleautor Robert Abbott verdanken wir geniale Spielideen wie ELEUSIS, das vor wenigen Jahren als HEUREKA bei IT erschien, und das witzige EGGHEAD, das ASS in den 70er Jahren herausbrachte und als CODE 777 von Jumbo neu belebt wurde. Diese Fassung würdigte die Jury Spiel des Jahres mit einem Platz auf der Auswahlliste 1986, wie schon zuvor EPAMINONDAS, das in der Bütehorn-Ausgabe 1980 auf die Liste kam.
CONFUSION ist das in der Ausgabe von franjos auch zuzutrauen, da es gedanklich die Spieler mindestens so fordert wie in EGGHEAD oder CODE 777.
Abbotts Spiel gehört zu den SCHACH-Varianten, er selbst verweist darauf, dass Randolphs MIMIKRI, 1971 bei 3M erschienen, den Anstoß für diese Spielentwicklung gegeben habe. Gespielt wird auf einem 11x11 Feld mit jeweils zweimal zwölf großen Holzwürfeln, die alle unterschiedliche Bewegungsoptionen besitzen. Vor dem Spiel ist erst einmal mühsame Klebearbeit nötig, für die die Spielregel sorgfältige Anleitungen gibt. Daneben gibt es noch einen großen Holz-Puck und Papp-Chips in doppelter Ausfertigung mit Buchstabenkennung und den Bewegungsmöglichkeiten der Steine.
Das Besondere an Abbotts Spielidee ist, dass der Gegner zufällig die eigenen Figuren aufstellt, sodass man keinen Blick auf die Zugmöglichkeiten hat. Ist alles gemischt, stellt man selbst die Figuren mit der Bewegungsseite zum Gegner hin in zwei 6er-Startformationen auf die Grundlinie und in die zweite Reihe. Jeder Stein wird zur besseren Notation mit einem Buchstabenchip gekennzeichnet. Auf das mittlere Spielfeld kommt der Puck. Spielziel ist es, den Puck auf die gegnerische Grundlinie zu bringen, ohne dort geschlagen zu werden.
Die Steine zeigen Zugrichtung und Zugweite zwischen einem und vier Feldern an. Ist mehr als ein Feld angegeben, bedeutet das stets, dass bis zu der Zahlenobergrenze bewegt werden darf. Die meisten Würfel meist in alle Richtungen, oft in einer Mischung aus diagonalen und orthogonalen Optionen. Ein Drittel der Steine bewegt sich aber nur nach vorn oder seitlich in orthogonaler oder diagonaler Richtung.
Wer am Zug ist zieht einen Würfel bis zu vier Felder weit geradlinig in beliebiger Richtung. Hindernisse sind andere Steine und der Puck. Der Gegenspieler kommentiert den Zug mit „Erlaubt!“ oder „Verboten!“. Infolgedessen darf der Stein stehenbleiben oder muss zurück.
Wichtigstes Utensil ist neben dem Spielfeld und den Steinen ein Auswertungsblock, der sämtliche Zugoptionen den Buchstaben zuweist, sodass man im Ausschlussverfahren mit der Zeit herausbekommt, wie man ziehen darf. Hier wird sogar an doppelte Buchführung gedacht, da es schon gut ist, zu sehen, wie weit der Gegner mit seinen Vermutungen ist, sogar die Seitenverkehrung ist berücksichtigt, die Pfeile sind in der Gegenrichtung ausgerichtet.
Wer sich sicher ist, darf mit Zustimmung des Gegners, die Bewegungsseite eines Würfels nach oben kippen, sodass er nicht immer auf seinen Zettel schauen muss und die Zugoptionen im Blick hat. Wer mit einem Stein, der nur vorwärts zieht die gegnerische Grundlinie erreicht, ändert seine Bewegungsmöglichkeiten zu jeweils maximal zwei Zügen in allen Richtungen. Dazu wird das Buchstabenplättchen einfach umgedreht.
CONFUSION ist kein reines Deduktionsspiel, das Entschlüsseln der Bewegungsweiten ist eine Art Vorspiel zum Schwächen des Gegners. Bevor es um den Puck geht, kann man durchaus schon gegnerische Steine schlagen, da reichen auch schon Teilinformationen aus. Wer exakt auf den Puck kommt, übernimmt die Kontrolle und kann ab sofort mit ihm wandern, ihn sogar mit den eigenen Bewegungsoptionen alleine laufen lassen. Wer mit Puck die gegnerische Grundlinie erreicht und im Antwortzug des Gegners nicht geschlagen wird, gewinnt das Spiel.
CONFUSION ist für mich eine der besten und anspruchsvollsten SCHACH-Varianten. Das wachsende Wissen, die Spekulationen, die schon vorher interessante Züge zulassen, stets verbunden mit dem Blick auf das Wissen des Gegners, ergeben ein hochspannendes Spiel. Es funktioniert allerdings nur, wenn die Buchführung bei beiden Spielern stimmt, deshalb ruhig offen und vergleichend spielen. Das ist alles anfangs gewöhnungsbedürftig, aber nach der Eingewöhnungsphase ein Hochgenuss.
Titel: CONFUSION
Autor: Robert Abbott
Grafik: o.A.
Verlag: franjos
Spieler: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 75 DM
Spiel 24/1993 R91/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der amerikanische Autor Robert Abbott ist am 20. Februar 2018 im Alter von 80 Jahren verstorben. In New York arbeitete er als Computer-Programmierer. Das Kartenspiel ELEUSIS erfand er während seines Studiums an der Universität von Colorado 1956 . Bekannt gemacht hat es Martin Gardner, der im Rahmen seiner Kolumne Mathematical Games in einem Wissenschaftsmagazin 1959 auf das Spiel verwies.
1963 erschien Abbotts Buch „Abbott’s New Card Games“, in dem er neben ELEUSIS sieben weitere neuartige Kartenspiele vorstellte. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel „Kartenspiel als Kunst“.
Die anderen Erfolge habe ich in meinem damaligen Artikel schon erwähnt.
Eine Neuauflage von CONFUSION erschien 2011 bei Stronghold Games.
Mittwoch, 9. Juni 2021
SCHÄTZBOLD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hätten Sie’s gewusst? SCHÄTZBOLD
„Einen letzten Sommer fahren mehr Deutsche mit der Eisenbahn als mit dem Auto in den Urlaub.“
Wann könnte das gewesen sein? Keine Ahnung? Schätzen Sie doch mal!
In den 60ern? Nein, nein, ich möchte es schon exakter hören. Eine konkrete Jahreszahl, bitte!
Vor 40 Jahren, 1964.
Falsch? Was meinen die anderen? Für Sie machen wir es einfach. Früher oder später als 1964?
Alle meinen früher. Richtig, Sie Schätzbolde!
Nun, der nächste, bittschön, aber wieder exakt und nun hoffentlich ganz richtig.
1960!?
Falsch. Die anderen dürfen wieder schätzen.
Na ja, schön ausgeglichen, zwei früher, zwei später. Recht haben die, die auf früher getippt haben.
Der nächste, bitte!
1958!
Stimmt. Klasse, dafür gibt’s drei Schätzkekse, Schätzbold, du.
So oder so ähnlich verläuft recht vergnüglich Runde um Runde in Uwe Rosenbergs Spiel SCHÄTZBOLD. 1344 historische Ereignisse des letzten Jahrhunderts hat sich der Autor einfallen lassen. Geschehnisse, von denen die Spieler in der Regel fast nie das exakte Datum wissen. Die Gruppe von drei bis sechs Spielern nähert sich also immer der richtigen Datierung an. Manchmal klappt’s, wie bei unserer Eisenbahnfrage, manchmal aber auch nicht. Das macht aber gar nichts, da es zwischendurch immer Schätzkekse für ein richtiges Früher oder Später gibt, so dass nach meist 12 Spielrunden oder einer knappen halben Stunde so einiges an Keksen bei den Spielern gelandet ist.
Über 220 Spielkarten, davon 168 Ereigniskarten kommen in einer kleinen Pappfaltschachtel preisgünstig daher. Die redaktionelle Bearbeitung der Fragen ist dem Autor vorzüglich gelungen. Sein im Eigenverlag Lookout Games herausgegebenes erstes SCHÄTZBOLD trägt den Untertitel „Familienfeier“, zwei weitere Spiele „Die Schulstunde“ und „Der Kulturabend“ sollen noch erscheinen. Im Rahmen des Quizgenres kann SCHÄTZBOLD neben den ANNO DOMINI-Spielen von Abacus gut bestehen. Alle Spieler sind sich in ihrer Unwissenheit einig, keiner kann sich blamieren. SCHÄTZBOLD-Runden laufen zügig ab und eignen sich gut für Wiederholungen. Positiv aufgenommen wird von vielen Spielrunden auch die Beschränkung auf das 20. Jahrhundert, das Aha-Erlebnis ist dadurch erheblich größer, als wenn die ganze Menschheitsgeschichte (wie bei ANNO DOMINI) im Blick ist. Nach den Gesellenstücken TIMES und LIFETIME, zwei Spielen des Autors mit ebenfalls historischem Hintergrund, darf SCHÄTZBOLD sicherlich als Uwe Rosenbergs Meisterwerk angesehen werden.
Titel: SCHÄTZBOLD
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Marcel-André Casasola Merkle, Andrea Boekhoff
Verlag: Lookout Games
Spieler: 3 - 6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 20/2004 R89/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Samstag, 5. Juni 2021
NAMUTONI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NAMUTONI
Eine Kleinstauflage des Spiels NAMUTONI erschien am 28. Januar 2004 in der Edition Perlhuhn. Der Autor und Verleger Reinhold Wittig hatte bewusst dieses geschichtsträchtige Datum gewählt. Bei seinen vielen Besuchen in Namibia hat er sich nicht nur mit den geologischen Besonderheiten dieser fantastischen Landschaft beschäftigt, hat er nicht nur die spielerische Welt von Ombagassa entdeckt, sehr ernsthaft hat er sich auch mit der Geschichte der ehemaligen deutschen Kolonie auseinandergesetzt. NAMUTONI war ein deutsches Fort, das während des Herero-Aufstands zerstört wurde, der vor hundert Jahren blutig von den deutschen Kolonialtruppen niedergeschlagen wurde. In den 60er Jahren wurde das Fort restauriert, heute ist es Museum und Hotel in einem.
Wittigs Spiel will keine kriegerische Handlung simulieren, thematisch stellt er sich zwei Touristengruppen vor, die sich um gute Quartiere direkt im Fort bemühen. Wie auch immer,
NAMUTONI ist eine knallharte strategische Auseinandersetzung zweier Spieler.
Auf einem 11x11 Felder großen Spielplan wird in der linken Hälfte das Fort NAMUTONI aus acht Quadersteinen mit vier Türmen und Mauern errichtet. Von den weiter entfernten Längsseiten aus starten die beiden Spieler mit vier Reiterfiguren, um das Fort in Besitz zu nehmen. Wer es schafft, als erster mit drei Figuren ins Fort einzudringen, eine davon auf einem Turm, gewinnt das Spiel. Das Besondere an NAMUTONI ist die Fortbewegung der Pferde. Der Autor entdeckt erstmalig die dritte Dimension beim Pferdesprung, wie beim Rösselsprung im Schach geht es um drei Felder, hier wird aber nicht diagonal abgebogen, sondern nach zwei Feldern geht es einen Sprung in die Höhe oder nach einem Feld macht das Pferd sogar einen großen Satz von zwei Feldern nach oben, umgekehrt geht es auch so in die Tiefe. So können die Spieler mit ihren Figuren die Mauern des Forts erklimmen und sogar auf die Zinnen der Burganlage gelangen. Der Weg dorthin führt aber erst einmal durch eine weite Ebene. Ohne Sprung lahmt das Pferd und humpelt nur ein Feld weit. Damit es auf dem Weg zum Fort im Galoppsprung vorangeht, hat sich Wittig quadratische Helfersteine einfallen lassen, die, richtig platziert, für ein zügiges Vorankommen sorgen. Raffiniert gelöst, ist die Positionierung der Helfersteine, von denen jeder Spieler vier besitzt. Zwei schiebbare Strategie-Leisten, „List“ und „Tücke“ genannt und gegenüber den Startpositionen der Spieler eingerichtet, besitzen je drei Markierungen. Nur auf die Felder, die in den markierten Spielfeldreihen Schnittpunkte von List und Tücke ergeben, dürfen die Helfersteine gelegt werden.
Es gilt also bei einer Partie NAMUTONI einiges zu berücksichtigen. Die vielfältigen Möglichkeiten ergeben sich auch durch die Zugvielfalt. Der Autor lässt jedem Spieler pro Zug drei Möglichkeiten: So kann ein Pferd springen oder nur ein Feld vorwärts ziehen, Helfersteine dürfen eingesetzt oder versetzt werden, oft ist aber auch das Verschieben einer oder beider Strategieleisten nötig. Anfangs hört sich das alles kompliziert an, das Spiel selbst ist aber gar nicht so schwer. Spätestens nach der ersten Runde wird deutlich, auf welche Sprungfelder man zu achten hat, wo es Sinn macht dem Gegner in die Quere zu kommen und wann man auf Zugoptionen für das Verschieben der Leisten verzichten kann, denn häufig spielt man damit auch dem Gegner in die Hände. Wenn keiner der Spieler gravierende Fehler macht, geht es stets knapp zu, oft zu knapp, da die Spielregel für den zweiten Spieler eine Nachzugsmöglichkeit eröffnet, wenn die Gewinnbedingungen durch den ersten Spieler erfüllt sind. So kommt es oft zu einem Unentschieden. Eine Runde NAMUTONI geht auch sehr schnell vorbei, so dass wir schon Sonderregeln eingeführt haben, die zusätzlich Spannung ins Spiel bringen. Mit einem Klebepunkt haben wir jeweils eine Figur gekennzeichnet, die als Anführer der Gruppe am Ende auf einem Turm stehen muss. Sie wird in direkter Nachbarschaft zum Gegenspieler aufgestellt. Diese Regel bringt etwas mehr Aggressivität, aber auch Spannung ins Spiel, da der vierte Reiter, der ja nicht ins Fort muss, nun den Gegner abzufangen versucht. Die Auseinandersetzung um den den Spielern zugewandten Eckturm wird in dieser Variante besonders spannend.
Die Umsetzung des Spiels von Clemens Gerhards, die 2005 auf der Spiel in Essen vorgestellt wurde, ist perfekt. Hochwertiges Material, sauberste Holzbearbeitung ist man von der Firma aus Ransbach-Baumbach ja gewohnt. Hier gelingt aber mit den Materialien eine Anmutung, die uns nicht nur ein eigentlich abstraktes Spielvergnügen bietet, sondern ein Hineinversetzen ins namibische NAMUTONI wirklich macht. Dieses spielerische Holzobjekt muss raus aus dem braunen Verpackungskarton, es hat seinen Platz in Sichtweite des Spieltischs verdient, so dass allein der Anblick zur nächsten Partie auffordert.
Titel: NAMUTONI
Autor: Reinhold Wittig
Verlag: Gerhards Spiel und Design
Spieler: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 70 Euro
Spiel 15/2005 R86/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Freitag, 4. Juni 2021
NAH DRAN!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vermutungen reichen – NAH DRAN!
„Wie oft blinzelt ein normaler Mensch pro Tag?“ Sie wissen es nicht? Macht nichts, Ihren Mitspielern geht es genauso. Deshalb dürfen Sie raten, schätzen, vermuten, ganz selten wissen Sie vielleicht auch etwas, um möglichst „Nah dran“ am richtigen Ergebnis zu sein. Der Autor dieses gerade veröffentlichten Schätzspiels, Franz-Benno Delonge liefert zu dem bei Piatnik erschienenen Spiel mit rund 1300 Fragen aus vier Wissensbereichen ein Spielbrett und zwei Spielvarianten.
Da haben wir eine eher taktische Variante, in der zwei bis vier Spieler versuchen, mit dem richtigen Tipp sechs bis zehn zusammenhängende Spielplanfelder mit Plastikchips der eigenen Farbe zu belegen. Die Fragen werden dabei allen Spielern gestellt oder bei der Auseinandersetzung um schon belegte Felder in einer Duellvariante nur zwei Spielern. Am Ende gibt es so etwas wie eine Masterfrage um den Vorsitz im „Club der flotten Denker“. Flohhüpfen ist im zweiten Spiel angesagt. Die Plastikchips kommen durch Schnippen auf das Spielbrett. Die Zielfelder bestimmen das Wissensgebiet. Sobald sich ein Spieler vier zusammenhängende Gebiete aus unterschiedlichen Wissensgebieten erraten hat, kommt es auch in diesem Spiel zur Abschlussfrage, die die Mitspieler festlegen.
Das Piatnikspiel steht 2004 in direkter Konkurrenz zu STADTGESPRÄCH (Ravensburger). Gegenüber diesem Schätzspiel, dessen interessante Fragen leider ohne Lösung bleiben, hat „Nah dran!“ den großen Vorzug, dass der Wiederholungsreiz wegen der viel höheren Anzahl von Fragen (nur 126 Diskussionsanlässe im STADTGESPRÄCH) deutlich höher ist. Franz Benno Delonge hat für NAH DRAN! ordentliche redaktionelle Arbeit bei der Aufgabenerstellung geleistet. Neben simplen Wissensquizfragen (Wie alt wurde Mozart?) überrascht er immer wieder durch exotische Erkenntnisse. (Aus wie viel Metern könnte ein Steinadler – wenn er lesen könnte – eine Zeitungsschlagzeile lesen?).
NAH DRAN! ist ein flottes Kommunikations- und Wissensspiel, das vor allem in der Schnipp-Variante viel Spaß bringt. Bei einer Spieldauer deutlich unter einer Stunde sind auch Revancherunden möglich. Kritik übe ich nur an der überdimensionierten Verpackung, weniger wäre hier mehr gewesen.
Wieland Herold
Titel: Nah dran!
Verlag: Piatnik
Autor: Franz-Benno Delonge
Spieler: 2-4 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Preis: ca. 23 €
Lösungen der im Text gestellten Fragen:
Blinzeln: 25.000 Mal
Mozart: 35 Jahre
Adler: 500 Meter
Spiel 15/2004 R85/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Eigentlich war Franz-Benno Delonge Richter am Oberlandesgericht in München. 1999 kam mit BIG CITY (Goldsieber) sein erstes Spiel heraus.
Mit TRANS AMERICA (Winning Moves 2002) gelangt ihm sein größter Erfolg mit der Nominierung zum Spiel des Jahres. Für DOS RIOS (Kosmos) und KUNSTMARKT (Prestel) reichte es 2004 und 2007 noch einmal für die Empfehlungsliste der Jury, mit MANILA (Zoch) kam er 2005 auf den Bronzeplatz beim Deutschen Spielepreis.
Der Spieleautor und Jurist Franz Benno Delonge ist leider viel zu früh verstorben. Fünf Jahre nach dem Erfolg mit TRANS AMERICA starb er mit 50 Jahren an einem Krebsleiden
Das Bild zeigt den Autor in Haar ein Jahr vor Veröffentlichung von TRANS AMERICA. Ihm gegenüber sitzt Fritz Gruber vom Verlag Kosmos.
Dienstag, 1. Juni 2021
SWIP‘SHEEP
Wer hat die meisten Schäfchen?
Die diesjährige Empfehlungs- und Nominierungsliste der Kinderjury fällt völlig aus dem Rahmen. Ein Spiel für dreijährige, eines für vierjährige und der ganze Rest bis auf eine Ausnahme für fünfjährige Kinder, das hatten wir noch nie. 2021 stehen eindeutig Kindergarten- und Vorschulkinder im Fokus, nur INSPEKTOR NASE fällt dabei heraus.
Ein Trend, zu dem gut ein pfiffiges Kartenbluffspiel aus Frankreich passt, das Yann Dupont entwickelt hat, der 2018 sein erstes Spiel SAVANNA bei Djeco in der ganz kleinen Schachtel veröffentlichte. In eben diesem Schachtelformat ist aktuell SWIP’SHEEP erschienen, eine Spielidee mit vielen Schafen, aber auch Wölfen und Hunden.
42 Karten stecken in dem stabilen Kartenschuber, zehn davon dienen der Regel, allerdings in ebenso vielen Sprachen. Unser Hauptmaterial sind 32 Karten, 22 davon mit ein, zwei oder drei Schafen, sechs Wölfe und vier Hunde. Wie das in vielen Kinderspielen mit Wölfen, Schafen und Hunden so ist, der Isegrim ist hinter den Schafen her. Schutz bietet nur ein Hund, aber die Zahlen zeigen schon, die Hütehunde sind in der Minderheit. Dass es nicht so ernst wie im realen Leben zugeht, belegen die witzigen Tierkarten. Letztlich geht es nur darum, in ein paar Runden möglichst viele Schafe zu gewinnen.
Der Ablauf ist kindgerecht einfach. Jeder bekommt drei Karten, schiebt eine davon an seinen linken, eine weitere an seinen rechten Nachbarn. Dann fragt der Startspieler: „Sind heute Wölfe da?“ Alle legen nun ihre Wolfskarten offen aus. Reihum greifen danach die Tiere einen beliebigen Gegner an, kann der sich nicht mit einem Hund wehren, wird ihm eine Karte aus der Hand weggezogen. Hat er aber einen Herdehüter, revanchiert er sich auf gleiche Weise beim Angreifer. Sind die Wolfsangriffe vorüber, wird Bilanz gezogen und die Schäfchen ins Trockene gebracht. Alle hoffen natürlich, dass eines der raren Dreier-Schafe dabei ist. Die genutzten Hunde und Wölfe kommen zurück ins Deck, das für den nächsten Rettungsdurchgang neu gemischt wird und in der zweiten oder dritten Runde damit für erhöhte Wolfsattacken sorgt. Nur im Kampf zu dritt gibt es dann noch eine vierte Runde, die extrem wolfsverseucht ist.
Nach zehn bis fünfzehn Minuten, stellen sich alle die Frage, wer hat die meisten Schäfchen? Das Kind wird dann zum besten Schäfer gekürt.
Die Zwänge, denen Kinder ausgesetzt werden, sind bei SWIP’SHEEP schon extrem. Da bekommen sie bloß drei Karten und müssen zwei davon abgeben, dabei darf man nicht einmal den Hund behalten, um die große Schafsgruppe zu sichern. In dem Hin und Her der Kartenschieberei landet dann vielleicht doch ein Hütehund in der Kartenhand, dumm nur, dass die Gegner zu konzertierten Angriffen neigen. Ärger sollte man schon abkönnen in diesem witzigen Kartenspiel, das nicht nur Kindern Spaß macht.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SWIP’SHEEP
Autor: Yann Dupont
Grafik/Design: Elise Gravel
Verlag: Djeco
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 46/2021
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