Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten! Die Versteigerung bunter Plastiksteine geht in die dritte Runde. Ging es in dem grandiosen AZUL um die Fliesen des Palastes von Evora, mutierten die Fliesenleger in AZUL II zu Glasmeistern der Weltkulturerbe-Stadt Sintra. In AZUL III scheinen Autor und Verlag die konkreten portugiesischen Orte ausgegangen zu sein, nebulös arbeiten wir an einem fiktiven SOMMERPAVILLON im frühneuzeitlichen Portugal.
Dafür werden allerdings wieder „die besten Materialien“ verwendet, wie die Spielregel verspricht. Die gelobte Haptik von AZUL I ist jedenfalls aufs Neue in AZUL III erfahrbar, nachdem die Bonbons von Sintra ausgelutscht sind und erneut wertige Fliesen, diesmal in Form einer Raute, im Spiel sind.
Als Handwerker bewegen wir uns auf ausgetretenen Pfaden. Wir haben unsere Manufakturen für den Fliesenerwerb, bedienen uns, wie gewohnt, aus Monokulturen, füllen dadurch die Tischmitte, deren Erstzugriff wieder Strafpunkte bringt. Neu im Procedere ist eine Jokerfarbe, die sich über die sechs Runden stets ändert. Von den Jokersteinen muss immer einer mitgenommen werden, es dürfen allerdings nicht mehr sein. Daher laufen diese Steine eher als lukrativer Beifang mit.
Aufgenommene Rauten werden nicht sofort platziert, sondern erst, wenn alle Manufakturen und die Tischmitte leer sind. Dann füllt jeder nach Belieben seinen Sternplan des SOMMERPAVILLONS. Dort befinden sich passend zu den sechs Steinfarben Sternfelder, die mit ein bis sechs Rautensteinen gefüllt werden. Es wird zwar immer nur ein Stein gelegt, aber wer das 6er-Feld eines Sterns belegt, um dafür entsprechend viele Punkte zu bekommen, muss sechs Steine dieser Farbe abgeben.
Die Konstellation des Pavillons ergibt, dass die Sterne Säulen, Statuen und Fenster einrahmen, zusätzlich einen mittleren Stern, der Rauten aller Fliesenfarben erfordert. Daraus entwickelt Kiesling ein attraktives Bonusprogramm für Azul III. Auf Vorratsfeldern in einer Bonus-Rosette im Zentrum der Wertungsskala liegen Steine aus, von denen sich die Spieler bedienen, wenn sie Figuren und Fenster umschließen. Am schwierigsten ist dies bei den Fenstern, dafür werden die 5er und 6er Felder benötigt, deshalb gibt es hierfür drei Steine zusätzlich. Die Statuen bringen zwei Extrasteine, die Säulen nur einen, obwohl die meisten schwerer zu umfliesen sind. So gibt es nur eine einzige Säule, die zur Vorbereitung acht Fliesen braucht, alle anderen kosten zehn bis 16 Fliesen.
Das Spiel endet nicht, wenn ein Spieler ein bestimmtes Ziel erreicht, sondern ganz simpel nach der sechsten Runde, sobald alle ihre Steine verbaut haben. Wer dann Fliesen hat, die er nicht unterbringt, bekommt Minuspunkte. In den Vorrunden durfte man stets vier Rauten für die Folgerunde aufsparen. Vollständige Sterne und Sets in der Belegung aller 1er-, 2er-, 3er- und 4er-Felder bringen zusätzliche Punkte. Bester Fliesenleger ist wieder der, der auf der Kiesling-Leiste am weitesten vorne steht.
Wer meinte, das „Spiel des Jahres“ 2017 könne nicht getoppt werden, wird von dem SOMMERPAVILLON eines Besseren belehrt. Die Jokerfarben, das Bonus-System, die Möglichkeit, Steine aufzuheben, und die Wertungsboni für geschlossene Sterne oder vollständige Zahlensets führen AZUL auf eine neue Ebene. AZUL III ist nicht ganz so gemein, wie Kieslings erster Ausflug nach Portugal, dafür spielt es sich taktischer in der Anlage der Steinsammlungen. Die vielen Sternfelder bieten deutlich mehr Optionen als das enge Raster des Fliesenkaros von Evora.
Materialmäßig bewegen wir uns wieder auf dem hohen Niveau des ersten Spiels, zusätzlich empfinde ich optisch den symmetrischen Sternaufbau in AZUL III attraktiver, was vielleicht auch mit den Rautensteinen zusammenhängt, die ich den quadratischen vorziehe. Ich ziehe meinen Hut vor Michael Kiesling, dem nicht nur eine einfache Erweiterung gelingt, sondern der mit diesem Spiel die AZUL-Trilogie auf einer neuen Ebene perfekt abschließt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: AZUL: DER SOMMERPAVILLON
Autor: Michael Kiesling
Grafik/Design: Matt Paquette
Verlag: Next Move Vertrieb: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 45 Euro
Spiel 03/2020